GESAMTEINDRUCK: „Die Goldfische“ ist eine herrlich unkorrekte und trotzdem ans Herz gehende Komödie über Menschen mit großen und kleinen Gebrechen.
DIE STORY: Der Banker Oliver (Tom Schilling) ist nach einem selbstverschuldeten Autounfall querschnittgelähmt und stößt in der Reha zu einer Behinderten-WG-Gruppe namens „Die Goldfische“. Das Leben in der Reha-Klinik interessiert ihn herzlich wenig. Bis er feststellt, dass er mit den Goldfischen über die Grenze in die Schweiz fahren könnte. Offiziell bietet Oliver einen Ausflug zu einer Therapie mit Kamelen an. Aber in Wahrheit möchte er einen Abstecher nach Zürich machen, um dort 1,2 Millionen Euro abzuholen, die er schwarz gebunkert hat. Der Trip wird genehmigt. Doch die Fahrt verläuft mit Pleiten, Pech und Pannen ganz anders als gedacht.
DIE STARS: Das ist doch mal eine Truppe, die sich der deutsch-iranische Debütfilmer Alireza Golafshan da zusammengesucht hat. Tom Schilling als Banker, dessen Leben komplett auf den Kopf gestellt wird. In der Goldfische-WG trifft man auf Jella Haase und Kida Khodr Ramadan als Pfleger, auf Birgit Minichmayr als Blinde mit Hang zum Alkohol sowie auf Axel Stein und Jan Henrik Stahlberg als Autisten. Aber den mit Abstand größten Eindruck hinterlässt Luisa Wöllisch. Die Schauspielerin mit Down-Syndrom spielt hier locker alle anderen an die Wand.
Kleiner Gag am Rande: Die Hauptfiguren tragen die Nachnamen ehemaliger prominenter Fußballer.
DIE KRITIK:. Filme über Menschen mit Beeinträchtigungen gehen nicht selten schief. Weil sie nach starkem Beginn Gefahr laufen, irgendwann Angst vor der eigenen Courage zu bekommen.
„Die Goldfische“ ist zum Glück anders. Dabei beginnt der Film eher zögerlich. Wenn Oliver als Banker-Ekel vorgestellt wird, seinen Unfall hat und dann die ersten Tage im Rollstuhl verbringen muss, ist das noch sehr vorsichtig und irgendwie schaumgebremst erzählt (außerdem gibt es einen völlig überflüssigen Auftritt des TV-Entertainers Klaas Heufer-Umlauf).
Aber sobald die WG-Kumpels der „Goldfische“ in Olivers Leben treten, kommt die Komödie ganz bei sich an. Das Spiel nimmt Fahrt auf und macht vor keiner Gag-Grenze mehr halt. Hier wird über alles und jeden und mit jedem gelacht. Und vor allem wird niemand ausgelacht.
Die Besetzung der „Goldfische“-WG ist grandios. Der cholerischen blinden Magda, die obendrein ein schweres Alkoholproblem hat, gehören die meisten Szenen in der ersten Hälfte. Birgit Minichmayr spielt knapp neben dem Over-Acting. Aber eben nur ganz knapp. Wie das nur eine wahre Meisterin hinbekommt. Ganz nebenbei killt sie den Goldfisch der WG. Hat selbst dafür noch einen lockeren Spruch auf Lager.
Auch der Rest der Truppe ist umwerfend. Da sind die beiden Autisten: Axel Stein als „Rainman“ – ständig mit dem Spruch „Hamma keinen Stress“ auf den Lippen – agiert zwischen chaotisch und bemitleidenswert. Sehr gut getroffen. Jan Henrik Stahlberg hat die schwerste Rolle. Den ganzen Film über spricht er kein Wort, lebt in seiner eigenen Welt – bis er kurz vor Ende das ganz große Chaos auslöst.
Die zweite Hälfte des Films gehört Luisa Wöllisch als glamourfixierter Franzi mit Down-Syndrom. Sie spielt mit so viel Frische und Energie, dass selbst schauspielerische Urgewalten wie Kida Khodr Ramadan gegen sie keine Chance haben.
Wenn sich die Goldfische auf den Weg in die Schweiz machen, ahnt der Zuschauer, dass bei diesem Road Movie der besonderen Art sicher viel schief gehen wird. Autor/Regisseur Alireza Golafshan haut hier alles hinein, was ihm einfällt.
Sicher, ein paar Klischees müssen sein. Leicht depperte Beamte an der Grenze hat man schon in etlichen Filmen gesehen. Auch der schwule Boutiquen-Besitzer ist alles andere als eine Neuigkeit. Aber wie die Goldfisch-Truppe ein Fettnäpfchen nach dem nächsten erwischt, das ist mir viel Charisma gezeichnet. Gleichzeitig erfährt man, wie sich Menschen verändern, wenn sie plötzlich viel Geld in der Hand haben. Und in welch rekordverdächtig kurzer Zeit man eine Million Euro ausgeben kann.
Zum großen Glück erliegt Regisseur Golafshan nicht dem Wahn, dass eine derart gut unterhaltende und auch nachdenklich machende Geschichte auch noch eine Love Story benötigt. Die wird nur zart angedeutet.
IDEAL FÜR: Alle, die im Kino gern mit anderen und über sich selbst lachen.