Die Frau, die vorausgeht

Starkes Western-Drama jenseits der üblichen Klischees


FilmClicks:
Die Malerin Catherine Weldon (Jessica Chastain) und Häuptling Sitting Bull (Michael Greyeyes) © Tobis
GESAMTEINDRUCK: „Die Frau, die vorausgeht“ ist ein beeindruckendes Western-Dokudrama über den legendären Häuptling Sitting Bull, eine mutige Künstlerin und über die Brutalität der weißen Einwanderer gegenüber den Ureinwohnern Nordamerikas.
 
DIE STORY: Die New Yorker Witwe und Malerin Catherine Weldon (Jessica Chastain) reist im Jahr 1890 allein nach North Dakota. Ihre Absicht: Sie will den legendären Lakota-Häuptling Sitting Bull (Michael Greyeyes) porträtieren. Unter größten Schwierigkeiten und gegen den Widerstand der Behörden schafft sie es, zu Sitting Bull vorzudringen. Während sie ihn malt und zwischen den beiden eine intensive Seelen-Beziehung entsteht, wird Catherine Weldon Zeugin, mit welch infamen Methoden die weißen Neo-Amerikaner die indianischen Stämme um ihr Land prellen.

Sam Rockwell als Macho, der findet, dass eine alleinreisende Frau im Westen nichts verloren hat © Tobis

DIE STARS: Jessica Chastain, die zuletzt im Kino als knallharte Poker-Queen reüssierte („Molly’s Game“), begeistert in „Die Frau, die vorausgeht“ einmal mehr in ihrem Paradefach einer willensstarken und unbeugsamen Frau. Mit dem Kanadier Michael Greyeyes, der  dem Chief Sitting Bull viel Weisheit und Männlichkeit verleiht, hat sie einen kongenialen Partner. Sam Rockwell (Oscar für „Three Billboards in Ebbing, Missouri“) und Ciaran Hinds verkörpern das hinterhältige weiße Amerika.
Die englische Regisseurin Susanna White punktete vor „Die Frau, die vorausgeht“ bravourös mit der starken John-Le-Carré-Thrillerverfilmung „Verräter wie wir“.

Zwischen Sitting Bull und Catherine Weldon sprühen nicht nur künstlerisch die Funken © Tobis

DIE KRITIK: Die Künstlerin Catherine Weldon und natürlich auch den Chief Sitting Bull hat es wirklich gegeben. Zwei der Weldon-Porträts des Häuptlings, auf die sich der Film bezieht, hängen bis heute in Museen in den USA. Obwohl „Die Frau, die vorausgeht“ also auf wahren Ereignissen beruht, gibt es Vorwürfe gegen die Produktion, es mit der historischen Wahrheit nicht allzu genau zu nehmen (so hieß die Malerin nicht Catherine, sondern Caroline Weldon, und sie war auch keine Witwe, sondern eine geschiedene Frau, die mit ihrem Sohn gen Westen zog).
Freilich ändern solche Ungenauigkeiten, die nur Kennern auffallen, nichts an den grundsätzlichen und hohen Qualitäten des Films. Regisseurin Susanna White schafft es hier, in 107 Filmminuten so unterschiedliche Genres wie ein Emanzipations-, ein Migrations-, ein Landraub- und ein Seelendrama miteinander zu knüpfen, und das alles vor der rau-betörenden Kulisse des wilden amerikanischen Nordwestens.
Zu Beginn von „Die Frau, die vorausgeht“ erkennt man, welchen Mut eine Frau vor 130 Jahren dazu brauchte, ganz allein in der Macho-Welt des Westens ihren Weg zu gehen. Wenn dann Catherine Weldon und Sitting Bull aufeinander treffen, folgt man gebannt ihren Wortgefechten, in denen nicht nur zwei Welten, sondern auch erotische Spannungen aufeinanderprallen. Jessica Chastain und Michael Greyeyes spielen diese Begegnung mit höchster Sensibilität und Kunstfertigkeit aus. Allein schon ihre Szenen sind den Kinobesuch wert.
Ist der Film in diesen Sequenzen klug und emotional zugleich, so seziert Regisseurin Susanna White mit analytischer Schärfe die Vorgangsweise der Kolonialisten, an das Territorium der indigenen Bevölkerung zu kommen – eine Taktik, die mit dem Begriff übers Ohr hauen präzise beschrieben ist. Die Eroberer verströmen nicht nur Frauenfeindlichkeit, sondern auch ungehemmten Rassismus. Und sie bedrängen die Lakota-Indianer mit Erpressung und Drohungen, einer Vereinbarung zuzustimmen, die auf eine Halbierung von deren Ländereien hinausläuft.
Von Wildwest-Romantik findet man in „Die Frau, die vorausgeht“ also keine Spur – sieht man von den großartigen Landschaftsaufnahmen ab, die immer wieder als Kontrapunkt zum  bösen Spiel der weißen Pioniere und Militärs zu sehen sind. Jessica Chastain und Michael Greyeyes tragen dieses sehenswerte Drama, das nebstbei sehr anschaulich die Frage beantwortet, wer denn nun die „illegalen Einwanderer“ waren, als Nordamerika von Migranten aus Europa besiedelt wurde.
 
IDEAL FÜR: alle, die sich für ein stark gespieltes Western-Drama jenseits der üblichen Klischees begeistern können. 






Trailer
LÄNGE: 103 min
PRODUKTION: USA 2017
KINOSTART Ö: 06.07.2018
REGIE:  Susanna White
GENRE: Drama
ALTERSFREIGABE: ab 12


BESETZUNG
Jessica Chastain: Catherine Weldon
Michael Greyeyes: Sitting Bull
Sam Rockwell: Silas Grove
Ciarán Hinds: James McLaughlin