GESAMTEINDRUCK: „Die Frau des Nobelpreisträgers“ ist ein Literatur-, Ehe- und Frauenrechts-Drama, an dem vor allem das Spiel der Hauptdarstellerin Glenn Close beeindruckt.
DIE STORY: Ein Anruf aus Stockholm löst beim Schriftsteller Joe Castleman (Jonathan Pryce) und seiner Frau Joan (Glenn Close) grenzenlose Freude aus: Der Amerikaner erfährt, dass er mit dem Literatur-Nobelpreis ausgezeichnet wird. Als das Ehepaar allerdings später mit Sohn David (Max Irons) zur Preisverleihung fliegt, ist die Stimmung angespannt. Rund um die Preisverleihung entladen sich in der Familie mächtige Konflikte. Irgendetwas stimmt nicht. Der Streit wird intensiver. So sehr, dass Joan am Abend der Preisverleihung die Zeremonie verlässt.
DIE STARS: Glenn Close wurde für „Die Frau des Nobelpreisträgers“ mit einem Golden Globe ausgezeichnet und für den Oscar nominiert. Das ist eine späte Würdigung für die große Schauspielerin, die zwar auf sieben Oscar-Nominierungen zurückblicken kann, aber noch nie einen Academy Award gewann. Hollywood wusste mit Glenn Close in letzter Zeit wenig anzufangen. Der Part der Joan Castleman ist ihre erste große Hauptrolle seit Jahren. Die junge Joan, die in etlichen Rückblenden zu sehen ist, wird von Glenn Closes Tochter Annie Starke gespielt.
Der Brite Jonathan Pryce führt als Nobelpreisträger mal wieder seine große Wandelbarkeit vor. Das Spektrum seiner vielen Rollen reicht vom Diktator Perón im Musical „Evita“ bis zum Bond-Schurken Elliot Carver in „Der Morgen stirbt nie“. Zuletzt sah man Pryce in Terry Gilliams „The Man Who Killed Don Quixote“ durch Spanien reiten.
„Die Frau des Nobelpreisträgers“ bedeutet das Hollywood-Debüt des schwedischen Regisseurs Björn Runge. In seiner Heimat ist er für seine TV- und Kinofilme, aber auch für seine Theater-Inszenierungen bekannt.
DIE KRITIK: Der Golden Globe für Glenn Close ist für den Film „Die Frau des Nobelpreisträgers“ ein Problem. Seit der Ehrung redet nämlich die halbe Filmwelt über die Hauptdarstellerin – und über die Hintergründe ihrer Rolle.
In den Kinos weiß also stets ein Teil des Publikums schon vor Filmbeginn über die Auflösung dieses rätselvollen Dramas Bescheid: Warum streiten die Frau des Nobelpreisträgers und ihr Mann auf der Leinwand so massiv? Was ist der Auslöser für den Eklat bei der Nobelpreis-Gala, wenn Joan Castleman ihren frisch gekürten Gemahl alleine lässt? Der Film tut eine gute Stunde lang so, als wäre das alles ein großes Geheimnis. Das macht einen als Zuschauer, wenn man zu den Wissenden zählt, ein wenig unrund.
Regisseur Björn Runge lässt den Film mit einem Moment größten Glücks – der Verständigung über den Nobelpreis – beginnen. Anschließend folgen viele Szenen mit Andeutungen über die Auslöser des ewigen Ehekrachs. Bis dann im Finale endlich die volle Wahrheit ans Licht kommt.
Der Film – Originaltitel: „The Wife“ – hätte gewiss auch dann funktioniert, würde er dieses Wissen von Beginn an mit dem Publikum teilen. Denn die Themen, die in dem Drama verhandelt werden, sind stark.
Es geht um eine begabte junge Schriftstellerin und um die Männerwelt des Literaturbetriebs, die sich vor einigen Jahrzehnten noch schwer damit tat, weibliche Autoren für voll zu nehmen. Es geht um einen berühmt gewordenen Dichter, der seine Laufbahn als Hochschullehrer begann und schon damals weibliche Zuneigung, aber auch weibliche literarische Beratung, schätzte.
Und es geht nebenbei auch um einen Vater-Sohn-Konflikt: David Castleman, der Sohn des Nobelpreisträgers, zerbricht fast daran, dass ihm der Vater jede Anerkennung für seine schreiberischen Versuche versagt.
Mit all diesen Handlungssträngen (zu denen noch die Auftritte eines von Christian Slater gespielten Biografien-Autors zählen) bietet „Die Frau des Nobelpreisträgers“ viele intensive Momente und reichlich Diskussionsstoff. Allerdings gibt’s neben der verkorksten Geheimnis-Dramaturgie noch einen weiteren Schwachpunkt: Weder der Nobelpreis-Gewinner noch seine Frau sind Sympathieträger, mit denen man im Kino auf Anhieb Freundschaft schließen möchte.
Jonathan Pryce legt den Joe Castleman als herrischen und launischen Macho an, der zu großen Worten neigt, aber außer der eigenen Meinung nicht viel gelten lässt. Glenn Close gibt der Joan Castleman die Aura einer Leidensfrau, die im Umgang mit ihrem Mann (und im Schweigen über gewisse Themen) allmählich erstarrt ist.
Das allerdings spielt sie so großartig, dass sie jeden Preis verdient, den die Filmwelt zu vergeben hat.
IDEAL FÜR: Filmfreunde mit Interesse an Literatur und Ehedramen – und für Fans von Glenn Close.