Der Trafikant

Blasse Bilder einer dramatischen Zeit


FilmClicks:
Simon Morzé als Franz Huchel und Bruno Ganz als Sigmund Freud in „Der Trafikant“ © Tobis
GESAMTEINDRUCK: „Der Trafikant“, die Verfilmung des Bestsellers von Robert Seethaler, schildert auf sehr betuliche Weise eine Wiener Geschichte aus einer dramatischen Zeit. Es geht um die Epoche 1937/38, als Österreich von den Nazis überrannt wurde.
 
DIE STORY: Der 17-jährige Franz Huchel (Simon Morzé) kommt 1937 vom Salzkammergut nach Wien, wo er in der Tabaktrafik des Kriegsinvaliden Otto Trsnjek (Johannes Krisch) eine Anstellung erhält. Dort freundet er sich mit einem Stammkunden an – dem Psychiater Sigmund Freud (Bruno Ganz), der an dem naiven und zugleich aufgeweckten Jungen Gefallen findet. Franz saugt die Ratschläge und Lebensweisheiten des berühmten Mannes in sich auf. Denn einerseits erlebt er gerade die Wirrungen der ersten Liebe, und andererseits beschäftigt ihn die Tragödie der faschistischen Politik.

Zielscheibe der Nazis: Otto Trsnjek (Johannes Krisch) vor seinem Laden © Tobis

DIE STARS: Der Schweizer Bruno Ganz („Der Untergang“, „Der amerikanische Freund“) zählt seit Jahrzehnten zu den herausragenden Bühnen- und Filmschauspielern des deutschsprachigen Raums. Der Wiener Burgtheater-Star Johannes Krisch übernahm in den letzten Jahren immer mehr Filmrollen und war unter anderem in Götz Spielmanns „Revanche“ (Oscar-Nominierung) und Marie Kreutzers „Die Vaterlosen“ zu sehen. Der 22-jährige Wiener Simon Morzé, Sohn der Burgschauspielerin Petra Morzé und schon seit 2006 vor der Kamera aktiv, spielt eine seiner ersten Hauptrollen.
Regisseur Nikolaus Leytner zählt mit Filmen wie „Drei Herren“ oder „Der Fall des Lemming“ zu den Routiniers der österreichischen Szene. Robert Seethaler, der Autor von „Der Trafikant“, ist im Zweitberuf selbst Schauspieler. Man kennt ihn unter anderem als Gerichtsmediziner Dr. Armin Kneissler aus der Krimi-.Reihe „Ein starkes Team“.  

Herzklopfen: Anezka (Emma Drogunova) umgarnt Franz (Simon Morzé) © Tobis

DIE KRITIK: Ein gefeierter Roman-Bestseller als Grundlage. Dazu eine starke Geschichte aus der Zwischenkriegszeit und Top-Stars wie Bruno Ganz und Johannes Krisch: „Der Trafikant“ zählte im Vorfeld zu jenen österreichischen Filmen, denen man eine Premiere bei einem großen Festival zugetraut hätte. Doch nur die kleinen Festivals in Kitzbühel und Hamburg wollten die Produktion haben. Nach der Sichtung des Films weiß man auch, warum.
Die Verfilmung entfaltet auf der Leinwand nicht die sanfte, aber beharrliche Wucht des Romans. Vom „bösen Zauber“ (Frankfurter Allgemeine), den das Buch ausstrahlt, ist wenig übrig geblieben. In Nikolaus Leytners Kinoversion ist „Der Trafikant“ eine elegante, aber temperamentlose Nacherzählung von Ereignissen, die im Privaten einen jungen Mann und im Politischen die ganze Welt aus den Angeln warfen.
Wien, kurz vor der Machtübernahme der Nazis: Der 17-jährige Franz, der als Landei in die große Stadt expediert wird, spürt natürlich die große Unruhe, die über der Gesellschaft liegt. Aber wie sich’s in seinem Alter gehört, ist er viel mehr mit sich selbst beschäftigt als mit dem, was in der Welt geschieht.
Als Franz von der Prater-Schönheit Anezka (Emma Drogunova) verführt wird, hebt ihn das emotional aus den Socken – umso mehr, als ihm die flatterhafte Dame zwar viel Zuneigung, aber keinerlei Treue schenkt. Als er im Laden mitbekommt, dass der republikanisch gesinnte Trafikant Otto immer stärker den Gegenwind der Nazis spürt, beginnt er, auch ein wenig politisch zu denken. Doch lieber kümmert er sich um sein Gefühlsleben und sucht die Nähe des weisen Sigmund Freud, der ihm ein väterlicher Freund wird.
Simon Morzé und Emma Drogunova, Bruno Ganz und Johannes Krisch nähern sich ihren Rollen mit großer Sensibilität – aber auch mit angezogener Handbremse. Sie erschaffen sorgsam modellierte Figuren, die jedoch immer wieder ein wenig leblos wirken. Man hat bei den Hauptdarstellern (mit Ausnahme von Johannes Krisch) das Gefühl, dass sie zwar kunstvoll ihren Text aufsagen, jedoch nicht in ihren Charakteren aufgehen.
Auch die Darstellung der Außenwelt atmet Distanz und Oberflächlichkeit. Gewiss, die Sets sind mit viel Liebe zum Detail gestaltet und zeigen ein historisches Wien, das der Realität der 1930er Jahre wohl ziemlich nahekommt. Doch der Film vermittelt nur in wenigen Momenten den Eindruck, dass die Stadt und ihre Bürgerschaft angesichts des herandräuenden Nazi-Wahns fast zu zerbersten drohen.
Vergleicht man „Der Trafikant“ mit der aktuellen Serie „Babylon Berlin“, die ebenfalls Privates und Politisches aus der Zeit vor der Diktatur ins Bild rückt, so vermittelt der Film aus Wien den Eindruck einer rasch dahingeworfenen Skizze. Während die Serie aus Berlin an ein großes Ölbild voller drastischer Farben und zahlloser Details erinnert.
Kurzum: „Der Trafikant“ bleibt als Film hinter den Qualitäten des Romans weit zurück.
 
IDEAL FÜR: Leser des Romans, die überprüfen wollen, wie weit sich  ihre Eindrücke mit den Bildern des Films decken.






Trailer
LÄNGE: 113 min
PRODUKTION: Österreich / Deutschland 2018
KINOSTART Ö: 12.10.2018
REGIE:  Nikolaus Leytner
GENRE: Drama
ALTERSFREIGABE: ab 12


BESETZUNG
Simon Morzé: Franz Huchel
Johannes Krisch: Otto Trsnjek
Bruno Ganz: Sigmund Freud
Emma Drogunova: Anezka
Regina Fritsch: Margarete Huchel