GESAMTEINDRUCK: Das Drama „Der Hauptmann“ bietet packendes Geschichts-Kino, das mühelos den Bogen vom Zweiten Weltkrieg in die heutige Zeit schlägt.
DIE STORY: 1945, kurz vor Kriegsende: Der Wehrmachts-Gefreite Willi Herold (Max Hubacher) findet am Wegesrand ein Auto mit einem Koffer. Darin die Uniform eines Hauptmanns. Herold zieht die Uniform an und beginnt fortan, das Leben eines Offiziers zu führen. Gerade noch als Deserteur von den eigenen Kameraden gejagt, wird Herold nun selbst zum strammen Nazi. Er sammelt versprengte Soldaten ein und bildet seine eigene Sondereinheit. Als er in einem Strafgefangenlager ankommt, beginnt er, angeblich „mit der Vollmacht von ganz oben“, ein Schreckensregime zu errichten. Seine Männer bringen massenhaft Häftlinge um.
DIE STARS: Es gehört schon etwas dazu, mit Größen der deutschen Szene wie Frederick Lau, Milan Peschel und Alexander Fehling vor der Kamera zu stehen und nicht unterzugehen. Der junge Schweizer Schauspieler Max Hubacher bringt das Kunststück in Robert Schwentkes „Der Hauptmann“ spielend fertig.
Zuerst ist er der Deserteur, der voller Angst um sein Leben rennt. Wenig später staunt er, dass ihm jedermann seinen Hauptmann abnimmt. Und schließlich wird er zum Massenmörder. Hubacher spielt diese extreme Figur grandios ohne erkennbare Brüche.
DIE KRITIK: Die Story des Kriegsverbrechers Willi Herold gehört zu den Kapiteln deutscher Weltkriegsgeschichte, die im Laufe der Jahrzehnte in Vergessenheit geraten sind. Kurz nach Kriegsende war Herold aber aufgrund seiner Taten berüchtigt als „der Henker vom Emsland“. In den Archiven ist viel bekannt über diesen Menschen, der eine Uniform fand und der das neue Leben als Offizier und als Killer in Uniform schnell zu genießen begann.
Wer bei „Der Hauptmann“ im ersten Moment vielleicht an die Posse um den „Hauptmann von Köpenick“ denkt; liegt falsch. Außer dem Stehlen einer Uniform gibt es keine Parallelen. Willi Herold wurde 1946 von den britischen Behörden in Deutschland angeklagt, zum Tode verurteilt und hingerichtet.
Regisseur Robert Schwentke, der sich in den letzten Jahren in den USA einen guten Namen als Spannungs- und Unterhaltungs-Experte machte (mit Filmen wie „Flightplan“ oder „R.E.D“), ist für „Der Hauptmann“ wieder nach Deutschland zurückgekehrt. Sein Inszenierungs-Stil ähnelt jenem seiner amerikanischen Filmen. Schwentke erzählt ohne Schnörkel, spannend und zu Herzen gehend.
Der Film ist in Schwarz-Weiß gedreht, was ihm im ersten Moment eine angenehme Distanz verleiht. Nur am Ende – das sicher nicht jeder mögen wird – wechselt Schwentke in den Farbmodus und lässt Herold und seine Schergen durch das Deutschland von heute fahren, um zu sehen, wie die Menschen auf so eine Provokation reagieren.
„Der Hauptmann“ ist großartiges Kino, das von vielen hervorragenden Schauspielern lebt – besonders Alexander Fehling als Nazi, der das Töten liebt, sorgt für unangenehme Gänsehaut. Dieser Film sollte auch in vielen Schulklassen gezeigt werden. Eine bessere Geschichtsstunde kann man sich wahrhaft nicht vorstellen.
IDEAL FÜR: Alle, die gern in die Geschichte der Nazi-Diktatur und ihrer Figuren eintauchen, und die es reizt, ein vergessenes Kapitel erzählt zu bekommen.