GESAMTEINDRUCK: „Der Affront“ ist ein atemloses und groteskes Polit-Drama aus dem Libanon, das sein Publikum von der ersten bis zur letzten Szene fesselt.
DIE STORY: Ein blödsinniger kleiner Disput zweier Bürger führt in Beirut zum großen „Affront“. Ein Wohnungsbesitzer und ein Beamter streiten über ein 30 Zentimeter langes Wasserrohr. Der Konflikt eskaliert und wechselt vom Privaten ins Politische. Denn einer der Männer ist ein libanesischer Christ und der andere Palästinenser. Irgendwann wird die Angelegenheit zur Staatsaffäre.
DIE STARS: Keine bei uns bekannten Namen. Der libanesische Schauspieler Kamel El Basha, der den sturen Beamten Yasser spielt, wurde beim Filmfest Venedig mit dem Preis für den besten Darsteller ausgezeichnet.
Regisseur Ziad Dueiri war in jungen Jahren in verschiedenen Funktionen (zum Beispiel als Kamera-Assistent) bei Hollywood-Großproduktionen im Einsatz. „Der Affront“ brachte ihm dieses Jahr eine Oscar-Nominierung in der Kategorie des besten fremdsprachigen Films ein.
DIE KRITIK: Die Politgroteske „Der Affront“ aus dem Libanon ist ein Film, der den Zuschauer mit seiner entfesselten Wucht förmlich umhaut. Der einen ungläubig staunen lässt und zugleich unter Hochspannung stellt. Obendrein liefert „The Insult“ überraschende neue Einblicke in die verworrenen Verhältnisse im Nahen Osten.
Der Auslöser des ganzen Spektakels ist völlig absurd. Als der Beiruter Bürger Toni eines Tages seinen Balkon absprüht, fließt das Wasser durch ein Abflussrohr und von dort auf die Straße (denn das Rohr ist nicht an die Kanalisation angeschlossen). Auf der Straße steht, wie es der Zufall will, der Bautechniker Yasser, und der wird nass.
Yasser fordert von Toni, das Rohr stillzulegen – die Vorschriften. Toni lehnt ab. Also kommt Yasser mit einer Leiter, entfernt das Rohr und ersetzt es durch eine Plastikröhre, die er mit dem Regen-Abfluss des Hauses verbindet. Jetzt erscheint der erzürnte Toni mit einem Hammer und schlägt das Kunststoffteil kaputt. Die Herren plärren aufeinander ein und werden ausfällig. Toni fordert von Yasser eine Entschuldigung. Die mag der Mann nicht aussprechen. Und das hat Folgen.
Auf die verbalen Beleidigungen folgen nämlich Faustschläge und Körperverletzung. Der Fall kommt vor Gericht. Erst solidarisieren sich die jeweiligen Freunde mit den Streithähnen. Dann berichtet die Presse darüber und die Wogen schlagen immer höher. Irgendwann mischt sich sogar der libanesische Präsident in den Abflussrohr-Fall ein. Denn auf einmal besteht die Gefahr, dass wieder einmal Gewalt zwischen Christen und Palästinensern ausbrechen könnte – wie im Bürgerkrieg, der den Libanon von 1975 bis 1990 zerriss.
„Der Affront“ ist ein brillant gemachtes Dokudrama über die Tatsache, dass es im Nahen Osten noch ganz andere Trennlinien gibt als jene zwischen Israel und den Arabern; zwischen sunnitischen und schiitischen Moslems. Der Libanon wird einerseits als modernes Land geschildert, in dem es zum Beispiel die Frauen in der Berufswelt sehr weit bringen können. Andererseits begegnet man aber auch vielen Macho-Typen, denen Stolz und Vorurteil mehr bedeuten als sachliche Diskussionen und Kompromisse.
Der Film ist möglicherweise auch deswegen so interessant geworden, weil Regisseur Ziad Dueiri viele Jahre lang sein Handwerk in Hollywood erlernte. Er gab „The Insult“ eine fast schon thrillerhafte Struktur, die in einer gloriosen Gerichtssaal-Sequenz mündet. Großartig.
IDEAL FÜR: Filmfreunde, die sich für ein ernsthaftes Politdrama interessieren, das obendrein auch beste Unterhaltung bietet.