DIE STORY: „Deadpool“. Wer sagt, dass einer in der Comic-Welt automatisch zum Superhelden wird, bloß weil er übernatürliche Kräfte besitzt? Der Söldner Wade Wilson (Ryan Reynolds), Titelfigur des neuen „X-Men“-Films „Deadpool“, ist eher ein Superschurke.
Seine Vergangenheit: Als gewaltgeiles Mitglied einer Spezialeinheit kannte er niemals Skrupel, andere zu töten.
Seine Gegenwart: Exakt in dem Moment, in dem er erstmals Hals über Kopf verliebt ist – in die Prostituierte Vanessa (Morna Baccarin) -, klopft bei ihm selbst der Tod an. Krebs im unheilbaren Stadium.
Seine Zukunft: Entweder sterben – oder das Angebot annehmen, sich einer qualvollen Operation zu unterziehen, die ihm ewiges Leben verheißt. Wade entscheidet sich für Zweiteres. Und wacht praktisch unsterblich, aber für alle Zeit mit schweren Geschwüren entstellt wieder auf.
Was tun? Mit seinem Narbengesicht traut sich Wade nicht mehr unter die Leute und legt deshalb die rote Ganzkörpermontur an, in deren Schutz er sich nun Deadpool nennt. Wieder widmet er sich dem Handwerk des Tötens. Er will den Mutanten Ajax (Ed Skrein) umbringen, dessen Operation ihm die Unsterblichkeit eintrug. Das ist ein bissl unlogisch, denn ohne Ajax wäre Wade / Deadpool ja tot. Aber um Logik geht es in dem Action-Reißer nicht. Und als Ajax Wades Geliebte Vanessa entführt, hat der wilde Mann wenigstens einen Grund, dem Mutanten nachzustellen.
DIE STARS: Den sanften Ryan Reynolds kennt man eher aus romantischen Komödien als aus Action-Blockbustern. Zuletzt überzeugte er im Nazi-Raubkunst-Thriller „Die Frau in Gold“, der streckenweise in Wien spielt, als Anwalt Randol Schoenberg.
Im Rest des Ensembles findet man keine großen Namen. Beginnend beim Regisseur Tim Miller, der erstmals einen Spielfilm inszeniert, sind hier Filmkünstler am Werk, die ihren Weg zur großen Karriere noch suchen.
DIE KRITIK: Immerhin – zu Selbstkritik ist der Mann fähig. Er sei „ein Arschloch, das für Geld noch größere Arschlöcher fertigmacht“, sagt Wade Wilson alias Deadpool über sein Schaffen. 41 „bestätigte Tötungen“ hat er auf dem Kerbholz, als der Film beginnt. Die Quintessenz: „Ich bin zwar super, aber kein Held“.
Wie macht man so einen gnadenlosen Killer zur Zentralfigur; erst eines Marvel-Comics und dann eines Films? Schwere Aufgabe. Die Autoren versuchen es mit Humor.
Ryan Reynolds hat als Deadpool stets grelle Sprüche von der ultracoolen Sorte auf Lager. „Lieber Arm ab als arm dran“, sagt er zum Beispiel, wenn er sich mal eine Hand absäbeln muss (er weiß: Dank seiner magischen Heilungskräfte wächst der Arm gleich wieder nach). Wenn er seine Pointen absetzt, schaut er – ungewohnt im Kino – meist direkt in die Kamera und damit den Zuschauern ins Auge. Am Theater würde man sagen: Deadpool, der Killer, durchbricht die vierte Wand. Jene von der Bühne zum Auditorium.
„Deadpool“, der Film, durchbricht alle Versuche, der Story mit analytischen Mitteln beizukommen. Hier geht es nicht um die die Frage, warum gekämpft wird, sondern darum, dass gekämpft wird. Gags – Action – Gags – Action: So rast der Reißer dahin. Trash Boom Bang.
Wer Marvel-Comics wirklich liebt und das „X-Men“-Universum auswendig kennt, mag an „Deadpool“ seine Freude haben. Der wird auch wissen, wie die Auftritte von stets gewaltbereiten Figuren wie Angel Dust, Kolossus oder der kindlichen Kämpferin Negasonic Teenage Warhead einzuordnen sind.
Wer (wie der Rezensent) allerdings eine gewisse Distanz zur Comic-Welt aufweist und es obendrein nicht schätzt, zwecks Unterhaltung der fließbandmäßigen Erzeugung von Leichen zuzuschauen, der ist bei „Deadpool“ definitiv fehl am Platz.
Man kann den Film als rasantes Action-Spektakel interpretieren. Aber auch als zynische, ganz und gar nicht lustige Verherrlichung von Gewalt.
IDEAL FÜR: Comic-Action-Enthusiasten.