DIE STORY: Das Drama „Das Glück an meiner Seite“ beginnt mit einem großen Unglück. Die Pianistin Kate (Hilary Swank) bemerkt beim Klavierspiel Zuckungen am Arm, die sie nicht kontrollieren kann. Die Ursache ist niederschmetternd: Sie leidet an der Nervenkrankheit ALS, der Amyotrophen Lateralsklerose, die zu Muskelschwund, Lähmungen und Sprachstörungen sowie häufig zu einem frühen Tod führt.
18 Monate später: Die Krankheit ist so weit fortgeschritten, dass Kate eine Pflegerin braucht. Sie engagiert die Studentin Bec (Emmy Rossum). Zwischen der jungen, wilden Bec und und der bürgerlich korrekten Kate entwickelt sich langsam eine tiefe Freundschaft, die beiden neue Sichtweisen aufs Leben eröffnet. Der nahende Tod ist freilich ein ständiger Begleiter.
DIE STARS: Die herbe Hilary Swank zählt zu jenen wenigen Schauspielerinnen, die bereits zwei Oscars besitzen. 2000 wurde sie als beste Hauptdarstellerin in „Boys Don’t Cry“ ausgezeichnet, fünf Jahre später gewann sie die gleiche Kategorie für ihre Rolle in Clint Eastwoods Meisterwerk „Million Dollar Baby“.
Von Oscar-Ehren ist Emmy Russum noch weit entfernt. Doch die 28-jährige New Yorkerin kann bereits auf eine Laufbahn zurückblicken, die zwei Jahrzehnte umfasst. Als Kind trat sie regelmäßig in Aufführungen der Metropolitan Opera auf, als Schauspielerin hatte sie ihren Durchbruch im Jahr 2004. Da spielte (und sang) sie in der Verfilmung des Lloyd-Webber-Musicals „Das Phantom der Oper“ die weibliche Hauptrolle der Christine. Außerdem war sie in Roland Emmerichs Apokalypse-Blockbuster „The Day After Tomorrow“ zu sehen.
Regisseur George C. Wolfe hat sich nicht nur mit seinen Inszenierungen, sondern auch als Schauspieler („Der Teufel trägt Prada“) sowie als Autor von Musicals („Jelly’s Last Jam“, „The Wild Party“) einen Namen gemacht.
DIE KRITIK: Hier eine unheilbar Kranke. Dort eine Betreuerin, die allen gewohnten Vorstellungen spottet und stets den unorthodoxen Weg sucht: Kommt einem irgendwie bekannt vor. Richtig, im Pariser Superhit „Ziemlich beste Freunde“ ging es (mit männlichen Protagonisten) ähnlich zu.
Regisseur George C. Wolfe gönnt Emmy Russum als Pflegerin Bec einen polternden Auftritt. Die chaotische Schöne verschläft, schmeißt in Windeseile ihren Lover aus dem Bett, spuckt die Mundspülung erst im Vorgarten aus und rattert mit ihrem alten Pick-Up dem neuen Job entgegen.
Dort droht ihr die Kündigung, bevor die Arbeit noch begonnen hat: Kates Gemahl Evan (Josh Duhamel), ein Karriere-Jurist, kann mit der flippigen Studentin rein gar nichts anfangen. Doch Kate gibt Bec eine Chance. Und blickt gnädig darüber hinweg, dass die Pflegerin offenbar nicht einmal einen Mixer bedienen kann. Weil sie den Deckel vergisst, landet ein Gemüse-Cocktail fein verstreut in der ganzen Küche.
Diese Eröffnung ist ein bisschen arg grell geraten. Danach findet der Film bald einen stimmigen Ton. Kate und Bec werden füreinander ganz, ganz langsam zum „Glück an meiner Seite“.
So eine Entwicklung ist am Anfang ihrer gemeinsamen Zeit kaum absehbar. Die klassische Pianistin Kate, die vom Schicksal einen brutalen Tiefschlag bekam, trennen Welten von der irrlichternden Bec, die mit eiserner Konsequenz an all ihren Projekten scheitert.
Doch in der Betreuung von Kate übernimmt Bec auf einmal Verantwortung, während Kate von der jungen Wilden lernt, dass das Dasein mehr Inhalt bekommt, wenn man die ausgetretenen Pfade einmal verlässt.
Hilary Swank und Emmy Rossum spielen diese Positionen und Entwicklungen eindrucksvoll aus. Hilary Swank zeigt die Trauer von Kate über ihr ramponiertes Leben, aber auch den resoluten Realismus, mit dem die Frau die Krankheit akzeptiert.
Emmy Rossum gibt der Bec neben wildem Temperament auch große Zuneigung zu ihrem Schützling. Nachdem die ersten Hürden überwunden sind, stellt sie sich hypersensibel auf die Bedürfnisse Kates ein, die nach der Muskelkraft irgendwann auch die sprachliche Artikulation verliert.
So wird „Das Glück an meiner Seite“ zum Schicksalsdrama, das komplett auf Schmalz und Kitsch verzichtet und gerade dadurch große Wirkung entfaltet. Die Story macht etliche Abstecher zu Ereignissen im Umfeld der beiden Hauptfiguren, konzentriert sich aber stets rasch wieder auf das Wesentliche: Auf die Schilderung einer unheilbaren Krankheit. Und auf das gemeinsame Bemühen der Kranken und ihrer Betreuerin, sich von diesem Leid nicht unterkriegen zu lassen. Sehenswert.
IDEAL FÜR: Filmfreunde, die es schätzen, wenn Schicksale zwar mit großer Zuneigung zu den Figuren, aber ohne falsche Sentimentalität geschildert werden.