DIE STORY: „Das Gesetz der Familie“ ist ein Thrillerdrama, das in der irischstämmigen Volksgruppe der Tinker spielt. Das sind fahrende Leute ohne festen Wohnsitz, die heutzutage meist in Wohnwagen-Verbänden (und im Film in England) leben. Der Clan der Cutlers, der hier porträtiert wird, ist sehr fromm, sehr ungebildet – und sehr kriminell.
Im Zentrum der Story steht der Enddreißiger Chad (Michael Fassbender), der als virtuoser Autofahrer für die Beutezüge seiner Familie unentbehrlich ist. Wenn er am Steuer sitzt, hat die Polizei kaum eine Chance, die Cutlers einzufangen.
Doch Chad will raus aus der kriminellen Struktur der Großfamilie. Er liebt seine Frau Kelly (Lyndsay Marshal) und er liebt die zwei Kinder, die er mit ihr hat. Chad wünscht sich, dass die Kids in einer ruhigen, zivilen Umgebung aufwachsen. Insgeheim trifft er eine Vereinbarung mit einem Grundstücksbesitzer, auf dessen Grund er sich mit Frau und Kindern niederlassen möchte. Fern vom Rest des Clans und der ewigen Gefahr, hinter Gitter zu wandern.
Chads Vater Colby Cutler (Brendan Gleeson), der Chef der Sippe, bekommt allerdings Wind von den Desertations-Gedanken seines Sprösslings. Der autoritäre Patriarch, der von seinem Sohn genauso sehr geliebt wie gefürchtet wird, hintertreibt Chads Pläne. Stattdessen bindet er ihn ein in den nächsten gefährlichen Coup. Der Weg in die Katastrophe ist vorgezeichnet.
DIE STARS: Mit Brendan Gleeson und Michael Fassbender hat der britische Regie-Debütant Adam Smith eine eindrucksvolle Top-Besetzung für sein Gangster-Stück gefunden. Allerdings glänzen die Namen hier bedeutend stärker als das Spiel der Stars.
Wenn Brendan Gleeson zu seinen bigotten, gewaltverherrlichenden und bildungsverachtenden Monologen ansetzt, dann hat es den Anschein, als müsste er die unsäglichen Worte des Clan-Chefs mühsam stemmen. Und Michael Fassbender wirkt in jeder Sekunde viel zu kultiviert, als dass man ihm den schlicht gestrickten Unterklasse-Ganoven, der weder lesen noch schreiben kann, abnehmen würde.
DIE KRITIK: Als Filmjournalist ist man automatisch ein Filmliebhaber. Da kommt es nicht oft vor, dass das Anschauen eines Films zur Qual wird, die tiefe Aversionen in einem weckt. Doch bei „Das Gesetz der Familie“ ist mir das passiert.
Der erste Auslöser: Regisseur Adam Smith porträtiert den Cutler-Clan als Ansammlung strohdummer, aber stets gewaltbereiter Menschen, die eine kindische Freude daran haben, alles zu zerstören, was ihnen nicht in den Kram passt. Mal abgesehen davon, dass man solchen Kleingangstern im wirklichen Leben lieber nicht begegnen würde, wirkt diese Charakterisierung auch schwer denunzierend. Dem Zuschauer wird untergründig suggeriert, dass alle Tinker-Familien Asoziale sind (denn positive Gegenbeispiele kommen nicht vor).
Die nächste Baustelle: Ein Film braucht nicht nur Schurken, sondern auch positive Figuren, mit denen man sich identifizieren kann. Die fehlen hier komplett. Zwar ist Michael Fassbenders Chad, der irgendwie raus will aus diesem Leben, wohl als kleiner Held gedacht. Aber bleibenden Eindruck hinterlässt er vor allem als komplettes Weichei, das sich nicht gegen den übermächtigen Vater durchsetzen kann. Dass es zu seinem Repertoire gehört, mit dem Auto als Waffe auf Hasenjagd zu gehen oder einem Hund den Hals umzudrehen, macht ihn auch nicht wirklich sympathischer.
Hat „Das Gesetz der Familie“ nun wenigstens Spannung zu bieten oder eine tiefere Bedeutung? Fehlanzeige. Die Thriller-Handlung ist ein ödes Räuber-und-Gendarm-Spiel zwischen den grimmigen Cutlers und der zumindest zu Beginn stets hilflosen Polizei. Und wenn man den Sermonen des selbstverliebten alten Cutler zuhören muss, der eine absurde christliche Frömmigkeit und zugleich die Gewalt preist, dann will man am liebsten ganz schnell Reißaus nehmen.
Noch besser als abzuhauen ist allerdings dieses: „Das Gesetz der Familie“ gar nicht erst anzuschauen.
IDEAL FÜR: Alle Leute, die sich von einem Film mal so richtig emotional runterziehen lassen wollen.