DIE STORY: Der Boxer-Film „Creed – Rocky’s Legacy“ weckt Erinnerungen an Sylvester Stallones härtesten und zugleich anerkanntesten Rivalen aus den „Rocky“-Hits: Apollo Creed.
Im Mittelpunkt des neuen Films steht Adonis Donnie Johnson (Michael B. Jordan), ein unehelicher Sohn des in „Rocky IV“ verstorbenen Apollo Creed. Nach einer Jugend zwischen Waisenhaus und Luxusvilla übersiedelt er von Los Angeles nach Philadelphia, um Box-Profi zu werden. Der alternde Rocky Balboa (Stallone), dort zum Wirt geworden, soll ihm als Trainer helfen.
Rocky lehnt zunächst ab. Doch dann stimmt er zu. Mit eisernem Willen boxt sich sein Schützling langsam nach oben. Als sich in der Szene herumspricht, dass dieser Mr. Johnson in Wahrheit ein Creed ist, wird der Promotor von Schwergewichts-Champion Ricky Conlan (Tony Bellew) hellhörig. Es kommt zum Kampf um die Weltmeisterschaft, der im Stadion des FC Everton in Liverpool ausgetragen wird.
Doch Donnie steht nicht nur wegen dieses Fights unter Strom. Er verliebt sich in die Musikerin Bianca (Tessa Thompson), deren Karriere durch eine irreparable Ohren-Erkrankung gefährdet wird. Und auch bei Rocky Balboa, den Donnie längst wie einen Vater verehrt, wird eine schlimme Krankheit diagnostiziert. Rocky leidet an Krebs.
DIE STARS: Sylvester Stallone erhielt am 10. Januar für seine Rolle als Rocky Balboa den Golden Globe, und den hat er verdient. Jung-Star Michael B. Jordan („Fantastic Four“; „Nächster Halt: Fruitvale Station“) trainierte sich für die Rolle des Adonis mächtig Muskeln an, was ihn wirklich zu einem Adonis macht. Seine Film-Freundin Tessa Thompson wurde vor zehn Jahren mit der TV-Serie „Veronica Mars“ populär. Zuletzt sah man sie im Bürgerrechts-Drama „Selma“.
Der erst 29-jährige Autor/Regisseur Ryan Coogler punktete 2013 mit dem Drama „Nächster Halt: Fruitvale Station“ in Sundance und Cannes, bevor man ihm den neuen „Rocky“-Film anvertraute, den er auch selbst (mit Aaron Covington) schrieb.
DIE KRITIK: Eine der schönsten Szenen in „Creed – Rocky’s Legacy“ hat rein gar nichts mit dem Boxen zu tun. Da fotografiert Donnie mit dem Smartphone ein paar Trainings-Anweisungen von Rocky Balboa und gibt den Zettel wieder zurück. „Willst du das nicht mitnehmen? Was ist, wenn du dein Handy verlierst?“ fragt Rocky sorgenvoll. „Egal“, antwortet Donnie sinngemäß. „Ist alles schon in der Cloud.“ Worauf Rocky angestrengt in den Himmel blickt und fragt: „Was für eine Cloud?“
Mit leichter Hand definiert der Film so die alten und die neuen Zeiten, in denen Rocky und sein Schützling daheim sind. Doch im Ring und in der Trainingshalle und, vor allem, emotional leben sie in der gleichen Welt. Zwei starke Männer, die das Leben als ewigen Kampf begreifen – und lieben. Zwei wortkarge Machos, die sich schwer tun, ihre Gefühle verbal auszudrücken. Obwohl ganz viel Gefühl in ihren Herzen wohnt.
Regisseur Ryan Coogler hat „Creed“ als typischen Boxerfilm inszeniert, der sich genau an die Regeln des Genres hält. Es geht also um die Sehnsucht, ganz nach oben zu kommen, und es geht um die Angst vor dem Fall. Man begibt sich in eine Männerwelt, in der die Frauen nur Nebenrollen spielen (allerdings nicht als Aufputz, sondern als smarte Lebenshelferinnen). In den Trainingssälen fließt der Schweiß und bei den Wettkämpfen dann auch das Blut, wenn sich die Kämpfer gegenseitig Cuts schlagen.
Aber, bei aller Brutalität: Hier wird ein rabiater Sport gepriesen, nicht jedoch die Gewalt. Hier klopft man sich nach einem Duell gegenseitig auf die Schultern, anstatt den Gegner vernichten zu wollen. Und so bleibt in einem Film wie „Creed“ viel Platz für positive Stimmungen.
Diesen Raum nutzt vor allem Sylvester Stallone hinreißend aus. Sein Rocky Balboa ist im Lauf der Jahrzehnte zwar kein weiser, aber ein lebenskluger Mann geworden, der das raue Handwerk des Boxens nunmehr mit einer gewissen Sanftmut betrachtet (gewinnen will er freilich auch als Trainer). Er kann mit wenig Worten viel sagen – und wenn er schweigt, noch mehr. Denn seine Emotionen zu verbergen, das mag dem alten Kämpfer nicht gelingen.
Als Zuschauer schließt man diesen Rocky bald ins Herz, und man versteht, dass der junge Creed (Michael B. Jordan spielt ihn mit loderndem Temperament) hier endlich die Vaterfigur findet, die er sein Leben lang vermisst hat.
Dass er, der junge Boxer, vom alten Boxer vornehmlich mit Box-Weisheiten gefüttert wird, das passt dann schon. „Creed“ ist schlussendlich ein Film über die alte Mutmach-Erkenntnis, dass man im Leben zwar immer wieder hinfallen darf, aber auch jedes Mal wieder aufstehen muss. Das ist zwar nicht sonderlich originell, doch man hört es immer wieder gerne.
Und so nimmt man im Finale dieser sympathischen und hochklassig gefilmten Haudrauf-Saga auch durchaus erfreut zur Kenntnis, dass eine Fortsetzung keinesfalls ausgeschlossen ist.
IDEAL FÜR: Stallone-Fans, „Rocky“-Fans und Box-Fans.