DIE STORY: „Chucks“ ist die Geschichte der jungen Wienerin Mae (Anna Posch), die ein sehr zorniges und alternatives Leben führt, weit draußen am Rand der Gesellschaft. Nachdem sie bei einer Straftat – nächtliche Spray-Aktion an einem Speisewagen - erwischt wurde, bekommt sie von ihrem Bewährungshelfer (Karl Fischer) einen Monat Sozialdienst bei der Aids-Hilfe aufgebrummt.
Widerwillig macht sich Mae ans Werk. Und kracht dort bald mit einem Deutschen namens Paul (Markus Subramaniam) zusammen. Paul hat Aids und nicht mehr viel Zeit. Doch auf Mae wirkt der todkranke Mann wie ein Lebenselixier.
Die beiden werden ein Paar. Mit wilder Entschlossenheit (Mae) und melancholischer Zurückhaltung (Paul) lassen sie sich auf eine große Liebe ein, die ihnen intensive Nähe schenkt, pralles Glück – und Angst, panisch auflodernde Angst vor dem unausweichlichen Ende.
DIE STARS: Das Filmemacher-Ehepaar Sabine Hiebler & Gerhard Ertl legt nach der wunderbaren Alters-Romanze „Anfang 80“ nun mit „Chucks“ einen genauso gelungenen jungen Film vor. Beide Produktionen gewannen übrigens den Publikumspreis beim Filmfest im kanadischen Montreal.
Die Niederösterreicherin Anna Posch ist in ihrer ersten großen Film-Hauptrolle als Mae eine echte Entdeckung. Der Bühnen-Profi Markus Subramaniam (Engagements in Linz und Bregenz) beweist auch als Filmschauspieler großes Talent. Rund um die beiden agieren erste Kräfte der österreichischen Szene, darunter Thomas Schubert („Atmen“), Susi Stach („Planet Ottakring“) und Karl Fischer („Die Werkstürmer“).
DIE KRITIK: Erst muss die ganze Wut raus. Und dann die ganze Liebe. Mit der vielleicht 20-jährigen Mae ist der Autorin Cornelia Travnicek (ihr Roman „Chucks“ dient dem Film als Vorlage) eine leidenschaftliche Frauenfigur gelungen, wie man ihnen höchst selten begegnet.
Mae ist kompromisslos kreativ, kompromisslos mutig, kompromisslos schlecht gelaunt und ebenso kompromisslos in ihrer Zuneigung. Eine zügellose Suchende: gelegentlich furchteinflößend, doch meist so, dass man sie umarmen möchte. Wenn man sich traut. Diese Mae ist eine Schwester im Geiste von Stieg Larssons herber Heldin Lisbeth Salander. Nur, dass sich Mae nicht in die Aufklärung eines Kriminalfalls stürzt, sondern in eine Liebesgeschichte mit absehbar tragischem Ausgang.
Das Porträt dieser Mae allein lohnt schon den ganzen Film. Anna Posch spielt die junge Wilde mit phänomenaler Präzision: Mal verschlossen, mal lodernd, mal zärtlich, und wenn es sein muss, alles zugleich. Alle Achtung.
Die Regisseure Sabine Hiebler & Gerhard Ertl bauen diese gloriose Frauenfigur in eine Geschichte ein, der man sich von der ersten Sekunde an nicht entziehen kann (und mag). Der Film beginnt rasant mit einer Sprayer-Sequenz am Bahngelände. Er holt dann kurz Atem, um zu seinem Hauptthema zu kommen: der dramatischen Romanze zwischen Mae und ihrem todkranken Freund Paul.
Markus Subramaniam legt diesen Paul feinsinnig als zurückhaltenden Intellektuellen an, der sein Schicksal akzeptiert zu haben scheint. Und der sich ganz auf die Gegenwart, auf den Moment konzentriert: Er lebe das Leben lieber, als es festzuhalten – so begründet er einmal die Ablehnung, sich fotografieren zu lassen.
Mae und Paul werden füreinander freilich zu Menschen die sich gegenseitig festhalten; so intensiv und so lange, wie es ihnen das Schicksal erlaubt. Beide haben eine verunglückte familiäre Biografie, beide finden aneinander jene Stütze, die sie über all die Jahre vermissten.
Die Melancholie, die auf dem Geschehen liegt, überträgt sich auf den Zuschauer. Die Liebesgeschichte ist herzzerreißend schön und herzzerreißend traurig zugleich. Mae und Paul nehmen es in Kauf, dass sich der Tod als ungebetener Gast mit an ihren Tisch setzt.
Wenn dann der Abschied gekommen ist, findet Mae (und der Film) zu einem berührenden Finale. Sehr spirituell auf der einen Seite, und sehr weltlich zugleich.
Unterm Strich ist „Chucks“ eine der herausragenden Austro-Produktionen des Jahres. Zum rundum gelungenen Eindruck trägt auch der Soundtrack mit etlichen Titeln von Soap&Skin bei. Störend sind höchstens einige kurze Momente, in denen der heftig pulsierende Film in konventionelle Erwählweisen abgleitet.
IDEAL FÜR: alle, die das pralle Leben (zu dem der Tod nun mal dazugehört) auf der Leinwand lieben.