DIE STORY: Die Independent-Filmemacherin Kelly Reichardt porträtiert in ihrem mehrfach preisgekrönten Drama „Certain Women“ vier Frauen aus Montana – einem betörend schönen, zugleich aber menschenleeren und äußerst verschlafenen Staat im Nordwesten der USA.
In der ersten Episode geht’s um die Anwältin Laura Wells (Laura Dern), die Probleme mit einem Klienten (Jared Harris) hat. Zu Unrecht aus seinem Job entlassen und um seine Abfertigung geprellt, nimmt er in seiner Ex-Firma einen Wachmann als Geisel. Laura schaltet sich als Vermittlerin ein. Doch sie verhilft ihrem Klienten nicht, wie von ihm gewünscht, zur Flucht, sondern sorgt dafür, dass er festgenommen werden kann.
Die zweite Story zeigt das Ehepaar Gina und Ryan Lewis (Michelle Williams und James LeGros), das ein Haus baut. Dazu wollen sie einem Nachbarn einen Vorrat von schönen Steinen abkaufen, die bei dem Mann im Hof liegen. Nach einem Gespräch stimmt der Nachbar dem Verkauf zu. Gina und Ryan laden die Steine auf ihren Truck.
Episode Nummer drei schließlich erzählt von der einsamen Farmerin Jamie (Lily Gladstone), die in der Einöde allein mit ihren Pferden ist. Durch Zufall macht sie die Bekanntschaft der jungen Juristin Beth (Kristen Stewart). Zwischen den beiden flammt ein kleines emotionales Feuer auf. Doch dann geht Beth wieder ihrer Wege und Jamie bleibt allein.
DIE STARS: „Certain Women“ wartet mit einem eindrucksvollen Cast auf: Laura Dern („Blue Velvet“), die aktuelle Oscar-Nominierte Michelle Williams („Manchester By The Sea“) und, vor allem, Kristen Stewart („Twilight“) gehören zur A-Liste in Hollywood. Für die Newcomerin Lily Gladstone könnte der Film den Durchbruch bedeuten.
Sie alle folgten dem Ruf der in Arthaus-Kreisen höchst angesehenen Regisseurin Kelly Reichardt („Meek's Cutoff“), wobei sie gewiss nicht wegen der Gage mitmachten: „Certain Women“ wurde mit dem Mini-Budget von zwei Millionen Dollar realisiert, was auch nach den bescheidenen Maßstäben des europäischen Kinos kein hoher Betrag ist.
DIE KRITIK: Ein US-Kritiker nannte die „Certain Women“-Regisseurin Kelly Reichardt einmal „die leiseste der großen amerikanischen Filmemacherinnen“. Das trifft ihre Arbeitsweise auf den Punkt.
In Kelly Reichardts Filmen passiert wenig – man könnte auch sagen, fast nichts. Die Dramen bestehen aus stimmungsvollen Bildern und aus einer großen Stille, die darauf wartet, vom Betrachter mit Inhalten gefüllt zu werden.
Für „Certain Women“ hat die Filmemacherin ihren kargen Stil noch weiter reduziert. Die einzige wirklich dramatische Szene ist jene des gekündigten Mannes in der ersten Episode, der seine Firma überfällt. Ansonsten ist man Zeuge alltäglicher Situationen, wie sie in der Realität ständig geschehen. Die Szenen wirken fast so, als wären sie in Echtzeit vom Leben abgepaust.
Dieser äußerst spartanische Stil hat in Cineasten-Kreisen eine Menge Anhänger. Der Rezensent zählt allerdings zu jenen, die solcher filmischen Magerkost nur wenig abgewinnen können: Für meinen Geschmack ist „Certain Women“ eine schwere Geduldsprobe ohne tiefere Bedeutung. Daran kann auch das edle Spiel der großartigen Darstellerinnen nichts ändern.
IDEAL FÜR: Freunde des Kinos der ganz, ganz leisen Töne.