GESAMTEINDRUCK: „Captain Marvel“ ist ein herrliches Comic-Märchen über das Erwachen einer Superheldin, die demnächst wohl das ganze Marvel-Universum retten muss.
DIE STORY: „Captain Marvel“ spielt Mitte der 90er Jahre in Amerika. Die Supersoldatin Vers (Brie Larson), die von einer außerirdischen Macht ausgebildet wurde, fällt plötzlich vom Himmel. Kurze Zeit später ist der Agent Nick Fury (Samuel L. Jackson) an ihrer Seite. Gerade will er ihre ihm völlig unbekannte Technik studieren, da werden beide angegriffen. Ebenfalls von Wesen aus dem All. Die Soldatin Vers muss kämpfen. Dabei will sie doch vor allem herausfinden, wo sie herkommt. Und was sie zu einem so speziellen Wesen macht. Und wieso ihr jemand nach dem Leben trachtet.
DIE STARS: Es ist schon eine ungewöhnliche Wahl, die Oscar-Preisträgerin Brie Larsen („Room“) als Superheldin Captain Marvel zu besetzen. Sie ist ja doch eher in leisen und intensiven Filmen zu Hause. Man merkt ihr deutlich an, dass die Kampfszenen – die sie mit Bravour bewältigt! – nicht ihre Sache sind. Aber immer, wenn es um ihre inneren Konflikte geht, wenn sie nicht so recht weiß, wo sie hingehört, dann spielt sie das mit kleinen wunderbaren Gesten aus.
An Brie Larsons Seite ist Annette Bening („American Beauty“) als mysteriöse Dame mit großartiger Vergangenheit zu sehen. Ihr merkt man die Freude an, für dieses große Projekt angefragt worden zu sein. Sie legt unglaublich viel Leidenschaft ins Spiel.
Der 70-jährige Samuel L. Jackson – dank Zauber-Software mehr als 20 Jahre jünger – darf als Nick Fury einmal mehr die coole Socke geben. Nur Jude Law als außerirdischer Kree-Krieger fällt durch unangenehmes Over-Acting auf. Der wahre Star aber – This Cat Is A Killer! – ist die Schmusekatze Goose, ein unfassbarer Szenendieb.
DIE KRITIK: Der Captain ist eine Frau! Und was für eine! „Captain Marvel“ trägt diesen Leitsatz mühelos durch die 124 Kino-Minuten. Das hier ist kein „feministisches Machwerk“, wie es im Internet in den letzten Tagen – obwohl noch niemand den Film gesehen hatte – immer wieder hieß. Das hier ist ein Statement: Frauenpower pur!
Es geht um die erste Titel-Superheldin des Verlagshauses Marvel, die eigentlich Carol Danvers heißt und die im Laufe des Filmes immer stärker wird. Und es geht um andere starke Frauen, die ihr entlang des Weges begegnen. Bis zum finalen Kampf. Und die Männer? Ach, die Männer! Sagen wir: So viel Männerschwäche gab es noch in keinem Marvel-Film bisher.
Die beiden Indie-Regisseure Anna Boden und Ryan Fleck („Half Nelson“) machen nicht den Fehler, die nächste Superhelden-Materialschlacht zu zünden. Das hatten wir erst in „Avengers: Infinity War“. War grauenhaft – muss nicht mehr sein. Vielmehr besinnen sich die beiden darauf, eine zu Herzen gehende Geschichte zu entwickeln. Eine märchenhafte, wie man sie sich auch am Lagerfeuer erzählt.
Diese Story handelt von Carol Danvers als einer wild veranlagten jungen Frau, die als Pilotin – selbst wer „Top Gun“ nicht gesehen hat, wird die Andeutungen erkennen – jedes Risiko auf sich nimmt. Wie es eines Tages ein Risiko zu viel ist. Wie sie beinahe gestorben wäre. Dann doch gerettet und zur Super-Alien-Soldatin ausgebildet wird. Wie sie sich nicht erinnern kann, wer sie ist und was die blitzartigen Erinnerungen in ihrem Kopf sollen. Und warum sie das Objekt der Begierde von mächtigen Kriegern wird.
All das wird in einem für Marvel-Verhältnisse herrlich entspannten Rhythmus vorgetragen: beinahe spartanisch. Immer mal wieder mit einem eingestreuten Hit der Neunziger oder mit anderen Pop-Zitaten. Aber es geht vor allem um zwei Themen. Zum einen muss diese junge Frau lernen, ihre unglaublich großen Kräfte zu kontrollieren. Und zum anderen soll sie als Captain Marvel ein Bindeglied sein zum großen Finale der „Avengers“, das ab 25. April im Kino die Geschichte der Marvel-Superhelden zum Ende bringen wird.
Viele Puzzle-Teile passen hier perfekt. Fließen manchmal mit großer Ankündigung und manchmal wie von nebenbei in die Geschichte ein. So weiß man nach dem Film, wie es zum Namen Avengers kam. Wie aus Mar-Vell Marvel wurde. Und auch, wie der Agent Nick Fury sein Auge verlor.
Wenn aber nach zwei Stunden die erste Post-Credit-Szene kommt, fängt bei Marvel-Spezialisten das große Überlegen an. Denn die Titelheldin Captain Marvel wird in diesem Film mit einer derartig überwältigenden Kraft ausgestattet, dass sich der bisherige Avengers-Oberschurke Thanos warm anziehen muss. Diese Dame besitzt einfach zu viel Energie! Oder haben die Macher fürs Ende der „Avengers“ noch einen anderen Bösewicht parat? Man wünscht es sich beinahe. Denn gegen „Captain Marvel“ kommt bisher keiner an.
IDEAL FÜR: Marvel-Fans, die hier eine richtig gute Geschichte zu sehen bekommen statt sinnloser Material-Schlachten.