DIE STORY: Tom Hanks spielt in Steven Spielbergs Spionage-Drama „Bridge of Spies – Der Unterhändler“ die reale Figur des US-Rechtsanwalts James Donovan, der Ende der Fünfziger Jahre die Pflichtverteidigung des enttarnten Sowjetspions Rudolf Abel (Mark Rylance) übernahm.
Der Jurist, ein Spezialist für Versicherungsfälle, empfahl dem Richter, Abel nicht zum Tode zu verurteilen: „Wenn wir ihn in den Tod schicken, haben wir keine Polizze in der Hinterhand“. Donovans Gedanke: Sollte auch die UdSSR einmal einen hochrangigen US-Spion schnappen, hätte man mit Abel ein Faustpfand für einen Austausch.
Am 1. August 1960 (auch diese Geschichte wird in „Bridge of Spies“ erzählt) schossen die Sowjets das Flugzeug des US-Piloten Gary Powers (Austin Stowell) ab, der mit seinen Spezialkameras russische Atomanlagen ausspionierte. Powers überlebte den Absturz und wurde zu einer langen Haftstrafe verurteilt.
Jetzt kam erneut die Stunde des James Donovan. Die CIA entsandte den Anwalt als Privatmann nach Ost-Berlin, um dort über den Austausch von Abel gegen Powers zu verhandeln. Die Atmosphäre war frostig. Doch die Debatten wurden sehr heiß.
DIE STARS: „Bridge of Spies“ ist vor und hinter der Kamera mit ganz großen Namen gespickt. Steven Spielberg, der erfolgreichste Regisseur Hollywoods, arbeitet zum vierten Mal mit Megastar Tom Hanks zusammen. Für die zweite Hauptrolle, jene des Spions Rudolf Abel, holte er den berühmten Bühnenschauspieler Mark Rylance, der am Broadway schon drei Mal den Tony Award gewann. Das Drehbuch schrieben – auf Basis eines ersten Entwurfs von Matt Charman – die Brüder Ethan & Joel Coen.
Im Ensemble des zum Teil in Berlin gedrehten Films finden sich auch zwei prominente deutsche Darsteller. Sebastian Koch („Das Leben der anderen“) spielt die historische Figur des DDR-Anwalts Wolfgang Vogel. Burghart Klaußner („Die fetten Jahre sind vorbei“) ist als DDR-Amtsträger Harald Ott zu sehen.
DIE KRITIK: „Wir befinden uns in einem Krieg. Nicht mit Waffen, sondern mit Informationen.“ Klingt aktuell? Ist aber ein Zitat aus „Bridge of Spies“ und somit ein Satz, der um 1960 fiel, in der düsteren Blütezeit des Kalten Krieges.
Steven Spielberg lässt in seinem Spionage-Drama das biedere und zugleich brandgefährliche Klima jener Jahre wieder aufleben. In den Familien herrschte auf muffig-spießige Art heile Welt. Doch draußen wurde spioniert und gegenspioniert, was das Zeug hielt. Ein paar falsche Worte konnten Ost-West-Krisen auslösen – ein Griff auf den falschen Knopf hätte womöglich einen Atomkrieg in Gang gesetzt.
„Bridge of Spies“ ist eine spannungsgeladene Geschichtsstunde, die einen auf mehreren Ebenen in den Bann zieht. Als Fundament baute der Kino-Magier Spielberg eine opulente Fünfziger-Jahre-Welt auf, in der noch die schäbigste Kulisse gediegen und elegant wirkt.
Die gloriosen Schauspieler, voran Tom Hanks und Mark Riley, füllen diese Bühne mit blitzenden Wortgefechten, für die sie in den Dialogen der Coen Brothers reichlich Nahrung finden. Die Story selbst fesselt durch pure Dramatik.
Jede Szene ist ein filmisches Schmuckstück für sich: Die Festnahme des Spions Abel, der sich in den USA als harmloser (aber begabter) Freizeit-Maler tarnt. Der Prozess gegen den Sowjet-Mann, der einen Proteststurm im Gerichtssaal auslöst, weil Abel die Todesstrafe erspart bleibt. Die Ausbildung der US-Piloten um Gary Powers, die mit dem Spezialflugzeug U-2 in geheimer Mission russisches Areal überfliegen. Dann das graue und kaputte und geteilte Berlin, in dem Tom Hanks als Unterhändler nicht nur mit den Sowjets die Klingen kreuzt. Er lernt auch die Begehrlichkeiten der Ostdeutschen kennen, die danach lechzen, dass ihre DDR als Staat anerkannt wird und nicht nur als ominöse sowjetische Besatzungszone.
All das gibt Stoff für großes Kino, das von Steven Spielberg in all seiner Meisterschaft auf die Leinwand gehievt wird. Das Finale bekommt einen gewissen Western-Touch: Auf der „Bridge of Spies“ zwischen Ost und West, der legendären Glienicker Brücke in Berlin, beobachtet Tom Hanks in einer kalten Winternacht, wie die Austauschkandidaten aufeinander zuschreiten. Eine Atmosphäre, als wär’s ein Showdown im Sand der Prärie. Nur, dass die Spione keine Colts am Gürtel tragen. Doch auf beiden Seiten halten Schützenkommandos im Hintergrund ihre Präzisionswaffen auf Anschlag – bereit, jederzeit loszuballern.
„Bridge of Spies“ ist ein lehrreiches, aber nie belehrendes Kino-Schwergewicht über eine versunkene Zeit. Vermutlich ganz unbeabsichtigt, weil dieser Aspekt nicht vorhersehbar war, schlägt der Brücken-Film aber auch eine Brücke in die Gegenwart.
Aktuelles Stichwort Terrorgefahr. In der Rückschau kommt uns das Fünziger-Jahre-Biedermeier wie eine paradiesische Zeit vor. Ist schließlich nichts passiert, seinerzeit.
War aber nix mit dem Paradies. Auch damals hatten die Leute Angst - große Angst. Das demonstriert der Film in einer eindringlichen Szene.
Da findet Tom Hanks alias Donovan eines Abends seinen kleinen Sohn im Bad, vor komplett gefüllter Badewanne. Der Knabe hatte zuvor in der Schule gelernt, wie mit der Bedrohung durch Atombomben umzugehen sei. Das Gelernte setzt er sofort um: Wenn jetzt am Abend noch eine Nuklearbombe detoniert, erklärt er seinem verblüfften Vater, sollte die Familie wenigstens genug Wasser griffbereit haben.
IDEAL FÜR: Fans von Tom Hanks, Steven Spielberg und Ethan & Joel Coen, die sich für zeitgeschichtliche Dramen begeistern können.