DIE STORY: Wie wird man einem hochbegabten Kind gerecht, das die Schule als sterbenslangweilige Qual empfindet? Davon handelt das packende US-Jugenddrama „Begabt“.
Die kleine Mary Adler (McKenna Grace) wächst bei ihrem Onkel Frank (Chris Evans) auf, der als Motorboot-Mechaniker seine Brötchen verdient. Als Mary eingeschult wird, braucht ihre Lehrerin Bonnie (Jenny Slate) keine zwei Tage, um zu erkennen, dass sie da ein Mathematik-Genie vor sich sitzen hat.
Bonny und die Schuldirektorin schlagen vor, die kleine Super-Rechnerin auf eine Schule für Hochbegabte zu transferieren. Frank lehnt ab. Doch wenige Tage später steht seine Mutter Evelyn (Lindsay Duncan) vor der Tür, die gleich zwei Anliegen hat. Sie will den Schulwechsel von Mary durchziehen – und sie will das Sorgerecht für ihre Enkelin.
Nun dreht das Drama des begabten Kindes eine 180-Grad-Kurve zum Drama einer dysfunktionalen Familie. Die kleine Mary ist das Streitobjekt in einem Konflikt, der die Adlers schon seit der Kindheit von Frank und von Marys verstorbener Mutter beschäftigt.
DIE STARS: Hauptdarsteller Chris Evans lässt sich im Kino gern als bärenstarker Captain America blicken – er zählt zum Stammpersonal der „Avengers“-Blockbuster. Superhelden sind auch dem „Begabt“-Regisseur Marc Webb vertraut. Der Filmemacher, der mit „(500) Days of Summer“ berühmt wurde, inszenierte die zwei „Amazing Spider-Man“-Abenteuer mit Andrew Garfield.
Die kleine McKenna Grace ist eine Entdeckung, die als Energiebündel Mary viel zum Gelingen des Projekts beiträgt. Oscar-Preisträgerin Octavia Spencer („The Help“) punktet in der Nebenrolle einer Nachbarin der Adlers, die eine innige Beziehung zu Mary aufbaut.
DIE KRITIK: Chris Evans macht es erkennbar Spaß, statt eines Superhelden mal wieder einen richtigen Menschen mit Ecken und Kanten zu spielen. McKenna Grace als Mary bringt mit großem schauspielerischem Talent ihr großes mathematisches Talent auf die Leinwand. Obendrein stimmt die Chemie bei diesem Onkel-Nichte-Gespann: „Begabt“, der Film, zieht einen auf Anhieb in seinen Bann.
Man schaut den beiden gerne zu, wie sie mit kleinen Konflikten und großem Humor ihren Alltag meistern. Man bewundert die Cleverness der kleinen Mary – und gerät ins Staunen, wenn sie in der Schule hochkomplizierte Rechenaufgaben meistert, für die ihre Lehrerin den Taschenrechner braucht.
Wie dieses junge Genie dann dasitzt in der Klasse, enerviert und angeödet durch einen Lehrstoff, der für sie keinerlei Anforderungen bereithält: Da beginnt man, darüber nachzudenken, dass übergroße Intelligenz auch ein Qual für ein Kind sein kann, wenn es nicht entsprechend gefördert wird. Und man hat Verständnis für das Ansinnen der Lehrer, Mary auf eine Hochbegabten-Schule zu transferieren. Auch wenn sich ihr Onkel mit Händen und Füßen dagegen wehrt.
Von dieser Basis aus hätte „Begabt“ ein toller Film über die Glücksmomente und Nöte eines Mädchens werden können, das vom Leben mit besonders großen Talenten beschenkt wurde. Doch leider macht das Drehbuch seine Zentralfigur vom Subjekt zum Objekt des Films: Der Generationen übergreifende interne Konflikt der Familie Adler, der nun zum Teil auf dem Rücken von Mary ausgetragen wird, ist weit weniger interessant als die Biografie von Mary. Und bei allen drastischen Momenten auch ziemlich konventionell.
So sitzt man mit zunehmender Dauer etwas irritiert in diesem Film, der sich weit von seinem Grundthema entfernt. Immerhin: Regisseur Marc Webb hat die Story und sein eindrucksvolles Ensemble so gut im Griff, dass man nie die Aufmerksamkeit verliert. Aber mit einem begabteren Drehbuch hätte „Begabt“ ein viel stärkerer Film werden können.
IDEAL FÜR: Freunde von packenden Kinodramen.