GESAMTEINDRUCK: „Ausgeflogen“ ist ein munterer, berührender und sehr unterhaltsamer Familienfilm aus Frankreich, in dem die famose Sandrine Kiberlain für jede Menge Schwung sorgt.
DIE STORY: Die Pariserin Héloise (Sandrine Kiberlain) hat sich gut im Leben eingerichtet. Zwar ging ihre Ehe schon vor langer Zeit in die Brüche, doch sie ist stolz auf ihre drei Kinder und beruflich erfolgreich mit einem eigenen Restaurant. Nun naht allerdings eine Zäsur, die Héloise keinerlei Freude macht: Ihre jüngste Tochter Jade (Thais Alessandrin) steht kurz vor der Reifeprüfung und will zum Studium nach Kanada. Héloise beginnt, alle gemeinsamen Momente mit Jade mit Fotos oder Videos festzuhalten. Aber die dreifache Mutter ahnt, dass sie sich vollkommen neu orientieren muss, wenn auch ihre Jüngste das Nest verlassen hat.
DIE STARS: Sandrine Kiberlain etablierte sich mit Filmen wie „Haben (Oder nicht haben“), „Mademoiselle Chambon“ oder „Verliebt in meine Frau“ als eine der führenden Schauspielerinnen ihrer Generation in Frankreich. Mit Regisseurin Lisa Azuelos (der Tochter von Schauspiel-Star Marie Laforet) ist Kiberlain seit ihrer Kindheit befreundet – doch „Ausgeflogen“ ist ihr erster gemeinsamer Film.
Lisa Azuelos verarbeitet in „Mon Bébé“ (so der Originaltitel) eigene Erlebnisse aus der Zeit, als ihre Tochter Thais Alessandrin die Schule beendete und nach Kanada gehen wollte. Thais spielt als Jade also praktisch sich selbst.
Im Ensemble gibt’s noch einen berühmten Namen: Als Théo, der Sohn von Hauptfigur Héloise, ist Victor Belmondo zu sehen. Der Schauspieler und ausgebildete Drehbuchautor ist ein Enkel von Jean-Paul Belmondo.
DIE KRITIK: Das Kino liebt seine Superhelden Aber manchmal sind es auch die HeldInnen des Alltags, die das Publikum einen Film lang in ihren Bann ziehen. Zum Beispiel eine Frau wie Héloise. Die Pariserin ist eine resolute Lebenskünstlerin, die mit leichter Hand Beruf und Familie im Griff hat und die eine hinreißende Aura aus Coolness, Temperament und Herzenswärme verströmt.
Der Film schaut dieser alleinerziehenden Mutter beim Leben zu: Wie sie sich mit ihrer jüngsten Tochter streitet und neckt, ihr jedoch in jeder Sekunde mit eiserner Solidarität zur Seite steht. Wie sie voller Verlassen-Werden-Panik überlegt, Jade die Übersiedlung nach Kanada zu verleiden – um dann doch zu kapieren, dass sie der Tochter nicht im Weg stehen darf. Wie sie das Verhältnis zu ihren zwei älteren Kindern meistert, die die mütterliche Wohnung längst verlassen haben.
Diese Episoden plätschern voller Charme dahin und haben stets das Zeug dazu, die Betrachter zu amüsieren oder zum Nachdenken anzuregen.
Der Höhepunkt der Action ist erreicht, wenn Héloise ihr Mobiltelefon einbüßt, auf dem sie zahllose Fotos und Videos von Jade gespeichert hat. Weil die Kids der Mama heimlich eine Tracking App aufs Handy gespielt haben, können alle vier gemeinsam den Standort des Smartphones aufspüren. Zwar bekommen sie das Gerät nicht zurück, aber das ist vielleicht sogar besser so. Denn Héloise kapiert, dass sich die Zuneigung zu ihren Sprösslingen im Herzen besser speichern lässt als auf einer Festplatte.
„Ausgeflogen“ ist ein heiterer Film voller ernster Momente, der einen allein schon wegen der wunderbaren Sandrine Kiberlain betört. Sie bringt eine feine Mischung aus Lebenslust und Mutterliebe auf die Leinwand. Ihre Héloise ist ein unkonventionelles Geschöpf, das es stets faustdick hinter den Ohren hat. Schaut man „Mon Bébé“ in der französischen Originalfassung mit Untertiteln an, wird man von Kiberlain obendrein mit diesem herrlichen Pariser Tonfall verwöhnt, der gern ein wenig empört und beleidigt klingt, ohne jedoch empört oder beleidigt zu sein.
Auch das Zusammenspiel von Sandrine Kiberlain mit ihrer Filmtochter Thais Alessandrin und den anderen Jung-Mimen funktioniert perfekt: „Ausgeflogen“ lädt zur Begegnung mit einer in jeder Hinsicht schrecklich netten Familie, bei der man sich gern länger einquartieren würde als nur für 87 Filmminuten.
IDEAL FÜR: Mütter und Töchter. Und Väter und Söhne.