DIE STORY: Regie-Altmeister Ridley Scott schildert in „Alles Geld der Welt“ ein Verbrechen, das 1973 rund um den Globus Schlagzeilen machte – und Entsetzen auslöste.
Der 16-jährige John Paul Getty III (Charlie Plummer), Enkel des Erdöl-Tycoons Jean Paul Getty (Christopher Plummer), war in Rom entführt worden. Die Kidnapper von der italienischen Ndrangheta verlangten ein Lösegeld von 17 Millionen Dollar.
Doch der alte Ghetty, Herr über die Milliarden der Familie, weigerte sich, zu zahlen - trotz der inständigen Bitten von Gail Harris (Michelle Williams), der Mutter des Entführten, die selbst keine großen Geldmittel besaß.
Die Angelegenheit zog sich monatelang dahin. Um ihren Forderungen Nachdruck zu verleihen, schnitten die Gangster dem Teenager schließlich ein Ohr ab, das sie in einem Paket an eine Zeitung schickten.
Erst jetzt ließ sich der alte Getty erweichen. Jean Paul zahlte, und John Paul wurde nach fünf Monaten Gefangenschaft in einer spektakulären Aktion freigelassen. Sein Großvater, der drei Jahre später sterben sollte, hatte wie immer vor allem die Finanzen im Sinn. Er legte Wert darauf, dass das Lösegeld so verbucht wurde, dass man es von der Steuer absetzen konnte.
DIE STARS: Großvater und Enkel Getty werden von Christopher und Charlie Plummer gespielt. Das legt die Vermutung nahe, dass die beiden Plummers, die äußerlich durchaus eine gewisse Ähnlichkeit haben, mit einander verwandt sein könnten. Doch das ist nicht der Fall. Der US-Boy Charlie und der britische Grandseigneur Christopher Plummer haben keine gemeinsamen Wurzeln.
Regisseur Ridley Scott holte mit Michelle Williams und Mark Wahlberg. der den Ex-CIA-Mann und Vermittler Fletcher Chase spielt, zwei Akteure aus Hollywoods A-Liste ins Ensemble. Scotts persönliche größte Leistung bei dem Projekt war es wohl, den wegen seiner Sex-Affären in Ungnade gefallenen Kevin Spacey binnen weniger Drehtage so perfekt durch Christopher Plummer zu ersetzen (darüber gleich mehr), dass dem Publikum die Umbesetzung nicht auffiel.
DIE KRITIK: „Alles Geld der Welt“ lieferte schon Monate vor der Premiere viel Gesprächsstoff, als Ridley Scott ankündigte, Kevin Spaceys Szenen mit Christopher Plummer nachzudrehen. Wenn man nun den fertigen Film sieht, muss man den beiden alten Herren zu diesem Husarenritt gratulieren.
Denn Christopher Plummer hat nicht nur ein paar kurze Auftritte auf der Leinwand – als Oligarch Jean Paul Getty spielt er jene Rolle im Film, die den nachhaltigsten Eindruck hinterlässt. Und er spielt diesen eiskalten Mann so vollendet gut, als wäre er während des gesamten Drehs schon als Gast mit am Set gesessen. Für seine Leistung wurde Plummer mit einer Oscar-Nominierung belohnt – und wir sagen mal voraus, dass er den Academy Arward auch gewinnen wird.
„Ich habe 14 Enkel, und wenn ich nur einen Penny Lösegeld zahle, dann habe ich 14 gekidnappte Enkel“: Mit diesem Satz begründete Jean Paul Getty, damals der reichste Mann der Welt, seine Weigerung, seinen Enkel John Paul gegen Bargeld aus dem Verlies zu befreien. Der Teenager, von Charlie Plummer als zunehmend verzagter Jüngling angelegt, geriet wie ein Spielball zwischen die Fronten unermesslicher Gier.
Die Gier ist fast zwangsläufig das zentrale Thema des Films von Ridley Scott. Auf der einen Seite schildert er die zynische Geldgeilheit der Mafiosi, die in ihrem Entführungsopfer keinen Menschen, sondern nur ein lohnendes Investment sahen. Unf auf der anderen Seite geht’s um den nicht minder zynischen Milliardär Getty, dem der Schutz seiner Investments wichtiger war als das Wohlergehen seiner Schutzbefohlenen.
„Alles Geld der Welt“ ist nicht der stärkste Film von Ridley Scott – aber einer seiner eindringlichsten. Zu Beginn wirkt das Drama holprig erzählt; die Geschichte kommt nur langsam in Schwung. Doch je drastischer die Aktionen der Protagonisten werden (das abgeschnittene Ohr!) und je mehr sich das Geschehen zum Thriller wandelt, umso fesselnder wird die Produktion.
Ridley Scott hat den Film in kalte Farben getaucht, die ein gutes Sinnbild sind für die Mitleidlosigkeit der entscheidenden Figuren in diesem realen Gangsterstück. Und in jeder Szene schwingt das Wort Gier im Subtext mit. Die Gier, erzählt Scott, mag zwar dazu führen, dass ein fanatischer Profitvermehrer irgendwann „Alles Geld der Welt“ besitzt. Aber selten bekommt man so drastisch und unwiderlegbar wie hier vorgeführt, dass der Reichtum allein die Menschen nicht glücklich machen kann.
IDEAL FÜR: Freunde von Thriller-Dramen mit starker Botschaft.