Alle Farben des Lebens

Ein Mädchen, das ein Junge ist


FilmClicks:
„Alle Farben des Lebens“: Ray (Elle Fanning), Maggie (Naomi Watts) und Dolly (Susan Sarandon) © Tobis
DIE STORY: Naomi Watts wohnt im Drama „Alle Farben des Lebens“ mit Mutter (Susan Sarandon) und Kind (Elle Fanning) unter einem New Yorker Dach, doch das Familienleben ist kein leichtes.
Naomi alias Maggie (hetero & Single) hat Kummer mit ihrem16-jährigen Kind, das nicht länger eine Ramona sein will, sondern ein Ray. Die Tochter weiß nämlich schon seit ihrer Kindheit mit Bestimmtheit, dass sie ein Junge ist. Und nun will sie mit einer Hormonkur die Geschlechtsumwandlung einleiten.
Maggies lesbischer Mutter Dolly gefällt es nicht, dass aus der Enkeltochter ein Enkelsohn werden soll: „Warum kann sie nicht einfach lesbisch sein und fertig?“ Aber das ist nur ein Nebenproblem. Denn Craig (Tate Donovan), der leibliche Vater von Ray/Ramona, weigert sich erst einmal, dem Geschlechtertausch zuzustimmen. Doch ohne sein Einverständnis kann die Behandlung nicht beginnen.

Maggie (Naomi Watts) verhandelt mit Craig (Tate Donovan), dem Vater von Ray © Tobis

DIE STARS: Die 18-jährige Elle Fanning beweist in „Alle Farben des Lebens“ ihre sensationelle Wandelbarkeit. War sie im Sommer in „The Neon Demon“ als Inbegriff verletzlicher Weiblichkeit zu sehen, so spielt sie hier als Ramona/Ray ein burschikoses Wesen, dem man in jeder Sekunde glaubt, ein Knabe zu sein.
Die Topstars Naomi Watts („21 Gramm“) und Susan Sarandon (Oscar für „Dead Man Walking“) holen mit Routine und Sensibilität das Maximum aus ihren Rollen heraus.

Ray (Elle Fanning) hat ein prima Verhältnis zu Oma Dolly (Susan Sarandon) © Tobis

DIE KRITIK: Schwerblütige Problemfilme zu drehen, in denen die ganze Last der Welt auf den Hauptfiguren ruht, ist an sich eine europäische Spezialität. In „Alle Farben des Lebens“ kann man mal erleben, dass solch gewichtige Kino-Kost auch in den USA angerührt werden kann.
Gewiss: Die (englische) Regisseurin Gaby Dellal, die auch die Story erfand, bemüht sich, keine Gelegenheit zu einer Pointe auszulassen. Aber viele Chancen zum Lächeln oder gar zum Lachen gibt’s in diesem Drama nicht. Dazu ist das Thema viel zu ernst: Wenn ein junger Mensch feststellt, geschlechtsmäßig im falschen Körper zu wohnen, dann ist das eine Tragödie.
Eine Tragödie freilich, zu der nur die wenigsten Menschen eine Art von Identifikation entwickeln können. Man muss also bereit sein, sich auf diese ungewöhnliche Story einzulassen.  Dann wird man auf bewegende Art Zeuge, wie der/die junge Ray darunter leidet, seine Männlichkeit (noch) nicht voll ausleben zu können. Und wie er in Familienkonflikte und Vorurteile verstrickt wird, die es zunächst verhindern, dass sein Leiden geheilt werden kann.
Das wird alles so aufrichtig erzählt und ist so gut gemeint, dass man Ray nur voll Empathie die Daumen drücken kann. Als Film hat „Alle Farben des Lebens“ trotz des feinen Spiels seiner Protagonistinnen allerdings ein Problem: Das Drama wird allzu zäh und knochentrocken vorgetragen.
Zum Vergleich: Das themenmäßig vergleichbare Drama „The Danish Girl“ aus dem Vorjahr, in dem Eddie Redmayne vom Mann zur Frau werden wollte, war zwar bedeutend schwülstiger als „Alle Farben des Lebens“. Aber auch viel berührender.
 
IDEAL FÜR:  FreundInnen schwerer Arthaus-Kinokost mit herausragenden Darstellerinnen.






Trailer
LÄNGE: 93 min
PRODUKTION: USA 2015
KINOSTART Ö: 08.12.2016
REGIE:  Gaby Dellal
GENRE: Drama
ALTERSFREIGABE: ab 8


BESETZUNG
Elle Fanning: Ray
Naomi Watts: Maggie
Susan Sarandon: Dolly
Linda Emond: Frances
Tate Donovan: Craig