DIE STORY: Unter „Silence“ versteht Meister-Regisseur Martin Scorsese die Zeit, in der ein gläubiger Mensch Worte des Trostes und Zuspruchs von Gott erhofft, sie aber nicht bekommt. Von dieser Stille gibt es jede Menge in „Silence“, diesem Monster von Religions-Findungs-Film, der sich 162 Minuten damit beschäftigt, wie der Glauben zu den Menschen kommen kann.
Der Plot: Im Jahr 1638 reisen zwei jesuitische Priester von Portugal nach Japan. Dort suchen sie nach einem legendären Geistlichen, von dem es heißt, er hätte in Japan seinen Glauben verloren. Auf dem langen Weg zu ihm missionieren sie viel. Sie müssen sich gegen die Mächtigen des Landes und den herrschenden Buddhismus zur Wehr setzen, bevor zumindest einer von ihnen erkennt, worin der wahre Glaube besteht.
DIE STARS: Andrew Garfield („Spider Man“) und Adam Driver („Star Wars“) fällt die undankbare Aufgabe zu, als Missionare durch ein fremdes Land zu irren und alle paar Minuten bestürzte Gesichter zu machen, weil man sie und ihren Glauben zutiefst missversteht. Leider erschöpft sich ihre Mimik wechselnd in Apathie und Hysterie.
Erst am Ende, als Liam Neeson („Schindlers Liste“) als gesuchter Glaubensbruder auftaucht, zeigt sich kurz, mit wie wenig Gesichtsausdrücken man zu Herzen gehend Zweifel und spätes Wissen spielen kann.
DIE KRITIK: Martin Scorsese blickt auf ein riesiges Filmwerk zurück. Sehr oft geht es ihm um die Mafia („Goodfellas“); dann immer wieder um Menschen, die ungewöhnliches er- oder geschaffen haben („The Aviator“). Ein Thema jedoch, das lässt ihn nie los: der Glaube.
Schon zweimal hat er Filme dazu vorgelegt. Mit „Die letzte Versuchung Christi“ meisterhaft und provokant. Das Budhhismus-Drama „Kundun“ hingegen geriet oberlehrerhaft. Nun folgt also „Silence“ – wenn man so möchte, der Abschluss von Scorseses Religions-Trilogie.
Mittlerweile ist der Regisseur Mitte 70 und das sieht man dem Film leider an. „Silence“ ist ein Schwanengesang mit Ansage geworden. Ein Film mit Kalkül. Einer, der eine ganz besondere Botschaft mit sich führt. Und leider nicht nur mit sich. Er trägt sie wie eine Standarte vor sich her: Achtung, hier kommt jede Menge Lebenserfahrung!
Bisher waren die Werke von Martin Scorsese, der schon immer einen Hang zu überlangen Filmen hatte, stets unterhaltsam. Ihre Dauer von um die drei Stunden sah man ihnen selten an. „Silence“ hingegen ist nicht nur sehr lang, sondern streckenweise auch bleiern schwer und langweilig.
Scorsese erzählt von den beiden Jesuiten Sebastiao Rodrigues (Andrew Garfield) und Francisco Garupe (Adam Driver), die von Portugal nach Japan aufbrechen, um dort nach Bruder Feirrera (Liam Neeson) zu suchen. Garupe und Rodrigues irren nun durchs Land, das ihnen komplett unbekannt ist.
Immer wieder halten sie inne (und der Filmfluss kommt komplett zum Erliegen), denken über sich und das Leben und ihren Glauben und Japan nach. Sie suchen die Zwiesprache mit Gott. Der aber sehr selten antwortet.
Ohne Frage ist das visuell großartig in Szene gesetzt. Japan sah wohl noch nie so düster und grau aus. Zwischendurch gibt es immer wieder Folterszenen, in denen japanische Christen davon überzeugt werden sollen, wieder zum Buddhismus zu finden. Aber anders als in früheren Scorsese-Filmen erwischt einen diese Gewalt nicht; sie trägt nicht dazu bei, dass man das Kino aufgewühlt verlässt. Hier kündigt sie sich jedes Mal an, wird auch noch ohne Ende ausgewalzt und langweilt irgendwann nur noch.
Am Ende des Films wird Feirrera noch gefunden und kann davon berichten, warum das Christentum und Japan nicht zueinander passen. In diesen wenigen grandiosen Szenen offenbart sich das wahre Manko des Films.
Gern würde man dem Schauspiel-Giganten Liam Neeson länger dabei zuschauen und zuhören, wie er zur Erkenntnis findet, dass es den einen Glauben nicht zwangsläufig geben muss. Dass es nur wichtig ist, überhaupt im Leben an etwas zu glauben. Leider braucht Martin Scorsese zu lang, um dem Zuschauer diese Botschaft nahezubringen. Und er setzt in den Hauptrollen auf die falschen Schauspieler: Die Qualitäten von Andrew Garfield und Adam Driver liegen anderswo.
IDEAL FÜR: Kinogänger, die Martin Scorsese gern auf seinem bildgewaltigen Weg zum Glauben folgen.