DIE STORY: „45 Years“ sind eine verdammt lange Zeit, auch in einer Ehe. Kate (Charlotte Rampling) und ihr Gatte Geoff (Tom Courtenay) wollen das feiern. Mitten in die Vorbereitung platzt ein Brief. Toms frühere Freundin Katja war vor vielen Jahren in der Schweiz in eine Schlucht gestürzt und umgekommen. Nun wurde ihre Leiche gefunden.
Die Nachricht bringt Kate mächtig durcheinander. War sie als Geoffs Ehefrau möglicherweise nur die zweite Wahl? Diese Katja hat das Leben ihres Mannes offenbar stärker beeinflusst als es Geoff je zugegeben hat. All die kleinen Lügen und Verschwiegenheiten kommen nun ans Licht und gefährden eine Ehe, die alle ringsumher für perfekt hielten.
DIE STARS: Die große Charlotte Rampling und „Dr. Schiwago“-Star Tom Courtenay - was für ein Leinwandpaar! In diesem Kinojahr gab es kein stärkeres und es wird sicher auch kein stärkeres geben. Schon bei der Berlinale im Februar bekamen beide für ihre außerordentliche Leistung in „45 Years“ einen Silbernen Bären. Wie sie dieses alte Ehepaar spielen, das sich langsam entfremdet - das ist sagenhaft gut.
DIE KRITIK: Ehen gehen im Kino mit schöner Regelmäßigkeit den Bach hinunter. Meist betrügt der eine den anderen und der Vertrauensverlust lässt sich nicht mehr kompensieren.
Ganz anders bei diesem kammerspielartigen Film, der beinahe komplett in einem Haus spielt. Kate (Charlotte Rampling) und Geoff (Tom Courtenay) haben es sich bequem gemacht. Sie wissen nach 45 Jahren Ehe genau, wie der andere tickt, wer wann den Hund ausführt, das Essen macht, die Stimmung mit ein wenig Musik aus den guten alten 60ern aufhellen muss. Alles scheint einem guten Plan zu folgen.
Aber wir gut kann man einen Menschen kennen? Oder sollte man es überhaupt darauf anlegen, jede Seite an ihm zu kennen? Kate und Geoff geraten in eine schwere Krise, als er in Erklärungsnot kommt.
Da gab es also vor 50 Jahren diese Frau, in die er sehr verliebt war und mit der er hätte alt werden können. Aber dann kam sie ums Leben. Und Geoff (unglaublich verletzlich und intensiv gespielt von Tom Courtenay, den man viel zu selten auf der großen Leinwand sieht), nahm mehr Erinnerungen und Einflüsse mit von ihr, als er sich das je eingestehen würde. Erst jetzt, nach Katjas Tod, beginnt er zu reden. Was Kate (Charlotte Rampling superb wie immer) mehr und mehr in Rage versetzt.
Filmemacher Andrew Haigh - er sorgt gerade mit der TV-Serie „Looking“ für Furore - hat genau das richtige Händchen, um die Naturgewalt Rampling und den stillen Riesen Courtenay zu inszenieren. Sicher, der langsame Rhythmus von „45 Years“ dürfte einige Zuschauer an den Rand ihrer blockbustergeschulten Geduld bringen. Aber wenn man dieses stille und enorm spannende Drama durchsteht, hat man nicht nur Filmkunst vom Feinsten gesehen. Man kann auch etwas fürs Leben lernen. Bei welchem Film kann man das schon sagen.
IDEAL FÜR: Arthaus-Kinogänger, die gern dem prallen Leben in all seiner Schönheit zuschauen.