303

Romanze und Road Movie


FilmClicks:
„303“: Jule (Mala Emde) nimmt Jan (Anton Spieker) in ihrem alten Campingbus mit © Thimfilm
GESAMTEINDRUCK: Hans Weingartners neuer Film „303“ ist eine feine Mischung aus Romanze und Road Movie, in der sehr viel über das Leben gesprochen wird.
 
DIE STORY: Berlin. Die Studentin Jule (Mala Emde) ist gerade durch eine wichtige Prüfung geflogen und obendrein schwanger. Da setzt sie sich kurzerhand in ihren alten Campingbus, Modell Mercedes „303“, um die Zukunft mit ihrem Freund zu erörtern, der gerade in Portugal weilt. Unterwegs nimmt sie den gleichaltrigen Jan (Anton Spieker) als Anhalter mit. Aus einer Fahrt von Berlin bis Köln wird eine gemeinsame Reise bis nach Portugal. Aus einer Zufallsbekanntschaft wird Liebe.

Unterwegs: Jule und Jan studieren die Landkarten © Thim

DIE STARS:  Der aus Vorarlberg stammende Berliner Regisseur Hans Weingartner landete 2004 mit „Die fetten Jahre sind vorbei“ einen Arthaus-Superhit. Als Grundlage für das Drehbuch zu „303“ dienten ihm Aufzeichnungen über die Welt und das Leben, mit denen er bereits 1997 begann.
Mala Emde, die Darstellerin der Jule, war zuletzt mit Matthias Brandt und Martina Gedeck in „Wir töten Stella“, der Marlen-Haushofer-Verfilmung von Julian Pölsler, zu sehen. Anton Spieker (Jan) feierte sein Filmdebüt 2015 in Christian Froschs „Von jetzt an kein zurück“ (Nachwuchs-Preis beim Deutschen Schauspieler-Preis).
Der titelgebende Campingbus „303“ (in Wahrheit ein Modell „308“) wurde 1980 gebaut und gehört Hans Weingartner.

Am Ziel? Es vergeht viel Zeit, bis Jan und Jule zärtlich werden © Thim

DIE KRITIK: 99 Prozent aller Filmromanzen sind so konstruiert, dass zwischen den Liebenden eine möglichst hohe Hürde steht, die von dem künftigen Paar erst einmal überwunden werden muss. „303“ ist anders. Da ahnt man bald, dass die Hauptfiguren Jule und Jan zueinander finden werden. Sie mögen einander von Beginn an recht gern, ohne erst mächtig miteinander zu streiten.
Die obligatorische Hürde wurde, wenn man so will, ans Publikum weitergeleitet: Bis zum Happy End vergehen wortreiche 145 Filmminuten. Nicht, dass dieses Ziel nicht auch schneller erreicht werden könnte. Aber die beiden Protagonisten haben einfach so viel miteinander zu reden.
Das funktioniert gut – vermutlich, weil „303“ keine übliche Love Story ist. Der Film beeindruckt auch als Road Movie, das vom wunderbaren Kontinent Europa erzählt und von der Schönheit, ihn ohne Grenzkontrollen bereisen zu können.
Filmemacher Hans Weingartner hat Jule und Jan (die Hauptfiguren in „Die fetten Jahre sind vorbei“ trugen übrigens die gleichen Namen) als 24-jährige Studenten modelliert. Doch es wäre falsch, die beiden als typische Vertreter der Millennials-Generation einzuordnen. Denn ihre Dialoge wurden ihnen ja von Autor/Regisseur Weingartner, 47, in den Mund gelegt. Große Gratulation an die wunderbaren Darsteller und ihren Regisseur, dass die langen Dialoge so spontan klingen, als wären sie improvisiert!
Jule und Jan sind randvoll mit jenen Gedanken, die man so hat, wenn man den eigenen Platz im Leben und in der Gesellschaft sucht. Da geht’s um Liebe und Sex („der Sex ist am besten, wenn man sich gestritten hat“, sagt er),  um Eigennutz und Empathie („der Körper schüttet Glückshormone aus, wenn wir etwas teilen“, sagt sie), um Kapitalismus und Politik und Gott und die Welt. Die beiden machen sich viel Kopfzerbrechen über das Kopfzerbrechen. Einer der schönsten Sätze: „Was ist, wenn das, was du als dein Ich bezeichnest, gar nicht dein Ich ist?“
Was soll man da antworten? Als Zuschauer macht man sich’s am besten im Campingbus bequem und lässt sich von Jule und Jan zu eigenem Nachdenken inspirieren. Man muss Dialogfilme wie Richard Linklaters „Before Sunrise“ (ein Vorbild für „303“) oder Louis Malles „Mein Essen mit André“ mögen, um das romantische Roadmovie von Hans Weingartner zu genießen. Ist das der Fall, dann steht dem Vergnügen nichts im Weg.
Im Übrigen: Es wird nicht nur gequatscht in „303“. Es wird auch geflirtet und geküsst. Und man spürt das Herzklopfen der beiden, wenn sie ihre Ängste überwinden, sich aufeinander einzulassen. Dass die Liebe „a big scary animal“ (Bellinda Carlisle) sein kann, bleibt in „303“ nicht verborgen.
 
IDEAL FÜR: Freunde kluger Filmromanzen – und für die Fans von „Die fetten Jahre sind vorbei“!






Trailer
LÄNGE: 145 min
PRODUKTION: Deutschland 2018
KINOSTART Ö: 20.07.2018
REGIE:  Hans Weingartner
GENRE: Drama|Romanze
ALTERSFREIGABE: ab 8


BESETZUNG
Anton Spieker: Jan
Mala Emde: Jule