GESAMTEINDRUCK: Zwei Golden Globes, dazu zehn Oscar-Nominierungen: „1917“ ist ein episches Drama, das auf visuell höchst eindrucksvolle Weise vom Leid, der Gewalt und der Sinnlosigkeit des Krieges erzählt.
DIE STORY: Nordfrankreich während des Ersten Weltkriegs im April 1917. Allierte und Deutsche stehen einander seit Jahren im mörderischen Stellungskrieg gegenüber. Da bekommen zwei junge englische Soldaten einen riskanten Befehl. Sie sollen ein von den Deutschen verlassenes Schützengraben-System durchqueren und mit einer Warnung zu einer britischen Einheit vorstoßen, die einen Angriff auf den Gegner plant. Was diese Truppe nicht weiß: Der Rückzug der Deutschen war eine Finte, die zu einem Hinterhalt führt. Falls die 1600 Briten attackieren, droht ihnen der sichere Tod.
DIE STARS: In „1917“ begegnet man britischen Topstars wie Colin Firth und Benedict Cumberbatch. Doch sie haben nur winzige Rollen als hochrangige Offiziere. Die Last des Films liegt auf den Schultern der Jungschauspieler George MacKay („Captain Fantastic“) und Dean-Charles Chapman („Game Of Thrones“). Sie spielen bravourös die zwei jungen Soldaten, die hinaus ins Niemandsland geschickt werden.
Der größte Star der Produktion ist Regisseur Sam Mendes, der für seinen ersten Film „American Beauty“ (1999) den Oscar bekam und der zuletzt die zwei Bond-Blockbuster „Skyfall“ und „Spectre“ inszenierte. Einen Oscar besitzt auch Kameramann Roger Deakins. Er wurde 2018 für „Blade Runner 2049“ ausgezeichnet.
DIE KRITIK: Mal hechelt die Kamera den Protagonisten hinterher. Mal umkreist sie die Schauspieler und dann eilt sie ihnen voraus. Immer in Bewegung, fast zwei Stunden lang.
Die Bilder sind, rein filmtechnisch gesehen, das Atemraubendste an „1917“. Regisseur Sam Mendes und Kameramann Roger Deakins haben den Dreh so konzipiert, dass das Kriegsdrama über weite Strecken so aussieht, als wäre es in einer einzigen, nicht enden wollenden Kamerafahrt aufgenommen. Das ist zwar eine Täuschung (im Schneideraum gab’s viel Arbeit, um diesen Effekt hervorzurufen), aber die Bilder lassen das Publikum von der ersten bis zur letzten Minute staunen.
Es muss ein gigantischer logistischer Aufwand gewesen sein, alle Schauspieler, Statisten und Requisiten stets so zu versammeln, dass sie zur richtigen Sekunde am richtigen Ort waren. Dass Film ein Medium der bewegten Bilder ist, bekommt man selten so anschaulich vor Augen geführt wie im Fall von „1917“.
Die Bewegungen der Kamera stehen in krassem Gegensatz zum Stillstand in der Szenerie. Denn an der Front bewegt sich (fast) gar nichts. Wie jeder Europäer in der Schule gelernt hat, gelang es im Ersten Weltkrieg weder den Deutschen noch den Franzosen und ihren Verbündeten, an der Westfront Vorteile zu erkämpfen. Das einzige, was den Armeen in diesem jahrelangen Stellungskrieg-Gemetzel gelang, war es, die Soldaten der Gegenseite in großer Zahl ums Leben zu bringen.
Allein schon aus diesem Grund ist „1917“ auch thematisch ein ungewöhnlicher Kriegsfilm. Regisseur Sam Mendes hat kein Schlachtengemälde inszeniert. Er schickt keine heroischen Krieger in den Kampf gegen heimtückische Unholde, sondern er zeigt Menschen, die das Schicksal in diese Szenerie geworfen hat.
Wenn sich die jungen Soldaten Tom Blake (Dean-Charles Chapman) und William Schofield (George MacKay) auf den gefährlichen Weg machen, um die vorgeschobene Einheit ihrer Kameraden vor einem Hinterhalt zu warnen, dann geraten sie nicht gleich in ein Inferno, sondern in eine fast tote Welt. Überall Trümmer, überall Zerstörung. Freilich kann hinter jeder durchlöcherten Fassade der Feind warten, der ihnen nach dem Leben trachtet. So entwickelt der Film große Spannung. Außerdem bekommt man große Sympathien für die beiden freundlichen Männer, die da bis an die Zähne bewaffnet durchs Niemandsland stapfen müssen.
Es gibt Kampfsequenzen und Szenen voll Tragik oder auch Hoffnung, die dem Film einen großen dramatischen Bogen geben. Aber „1917“ erzählt, wie schon erwähnt, keine Heldengeschichte. Sam Mendes (der die Inspiration zu dem Film aus Kriegsberichten seines Großvaters bezog) porträtiert voll Empathie eine Gruppe von Männern, die zwangsweise zum Töten und zum Sterben ausgeschickt wurden und die alles dafür geben würden, wieder heil aus diesem Schlammassel herauszukommen. So trägt dieses große Kriegsdrama eine pazifistische Botschaft: Krieg ist bösartig, verbrecherisch und dumm.
IDEAL FÜR: Filmfreunde, die große Kinodramen lieben und den Krieg verachten.