Conchita Wurst
über „Die Pinguine aus Madagascar“, Karriere, Zivilcourage und James Bond
„Ein Bond-Girl spielen? Nichts für mich. Aber einen Bond-Song singen…“
23.11.2014
Interview:
Peter Beddies
Was für eine Blitzkarriere. Noch vor einem Jahr kannte man Conchita Wurst nur in Österreich – und nicht alle nahmen sie ernst. Dann kam der Eurovision Song Contest und dort der Triumph. Seitdem läuft Conchitas Musik überall auf der Welt. Die Österreicherin mit dem Vollbart (bürgerlicher Name: Tom Neuwirth) tritt in legendären Pariser Clubs auf und wird dort gefeiert. UN-Generalsekretär Ban Ki-Moon nimmt sich Zeit für einen Plausch mit ihr. Und nun ist sie für den Dreamworks-Animationshit „Die Pinguine aus Madagaskar“ (Ö-Kinostart: 28. November) unter die Synchronsprecher gegangen. Eine überaus passende Wahl: Conchita Wurst ist als schöne Eule namens Eva zu hören, die für eine Geheim-Organisation Tieren hilft. Beim FilmClicks-Interview in Berlin sprach Conchita über ihre Blitzkarriere, ihre Standpunkte - und über einen großen Traum: Sie würde nur zu gern einmal den Titelsong zu seinem Bond-Film singen...
FilmClicks: „Die Pinguine aus Madagascar“ ist ein schöner Film. Und Sie haben eine schöne Rolle - auch wenn es eine kleine ist.
Conchita Wurst: Ja, aber eine wichtige. Finde ich. Eva, die Eule, sagt nicht viel. Aber wenn Eva guckt, dann wissen schon alle, woran sie sind.
Und wenn sie spricht, dann mit russischem Einschlag.
Das war schon in der Original-Version so. Mir wurde freigestellt, ob ich es auf Hochdeutsch oder leicht russisch mache. Das wollte man erst einmal ausprobieren. Aber ich dachte sofort: „Natürlich, russischer Akzent!“. Doch als ich es dann ausprobierte, war es schwerer als gedacht. Da war ich wohl doch ein bisschen zu sehr von mir überzeugt.
Also gab es einen Lehrer.
Genau. Ich bekam eine charmante russischsprechende Schauspielerin an die Seite gestellt. Im Teamwork haben wir das ganz gut hinbekommen. Ich wurde schnell von meinem hohen Ross heruntergeholt
(lacht).
Es hätte ja noch die Option gegeben, Eva einen österreichischen Akent zu verpassen.
Nein, die stand nie zur Auswahl. Aber ich glaube auch, dass ich mich damit wesentlich schwerer getan hätte. Das ist der Zauber der Perücke. Ich kann als Conchita nicht mit österreichischem Akzent sprechen.
Da gibt es also eine Trennung zwischen Conchita Wurst und Tom Neuwirth?
Auf jeden Fall. Der Akzent würde sich für mich als Conchita unecht anfühlen.
Aber Tom kann das schon…
Auch auf jeden Fall. Tom spricht ganz furchtbar, wie ich finde. Das ist ein steirischer Akzent. Mag ich als Conchita nicht hören.
War das Synchronisieren leichter oder schwerer als zuvor gedacht?
Ich hatte eine kleine Vorkenntnis, weil ich vor Jahren eine Werbung für ein Kaufhaus gesprochen habe. Das war allerdings ein Einzeiler. Aber damals dachte ich mir schon, dass es wohl nicht nur darauf ankommt, die Wörter richtig aneinander zu reihen. Und das hat sich bei den „Pinguinen“ noch potenziert. Da kamen dann Ansagen wie „Conchita, das war ein bisschen zu viel Nase und auch zu viel Spucke“. Und ich dachte nur: „Aber so rede ich nun mal!“. Man wird auf Sprachfehler hingewiesen, von denen man nicht wusste, dass man sie überhaupt hat.
Die Eule Eva in „Pinguine“ ist eine Femme Fatale, die ganz eindeutig in einer Tradition steht: James Bond. Hätten Sie Lust, als Bond-Girl aufzutreten?
Nein, Bond-Girl wäre nichts für mich. Das muss ich ganz ehrlich sagen. Obwohl, generell würde ich natürlich nicht Nein sagen. Aber ich wäre gern die Gegenspielerin Bonds, die bis zum Ende aushält.
Dann aber stirbt...
Natürlich! Aber was für einen Tod man da sterben könnte!!! Außerdem könnte es ja einen zweiten Teil geben. Also könnte ich den ersten Film überleben. - Es geht wohl allen Schauspielern so, dass sie am liebsten den Bösen spielen. Das hat mir bei „Pinguine“ auch an Eva, der Eule, so gefallen. Sie ist zwar keine Böse, hat aber eine ordentliche arrogante, wenngleich sympathische Art an sich. Sie hat eine Klarheit, die aber nicht herablassend wirkt. So etwas mag ich extrem. Und was ich noch an Bond toll finde, ist der Herr Craig. Man möge ihm das bitte ausrichten.
„Rise like a Phoenix“, Ihr Sieger-Hit aus dem Song Contest, klang ja schon wie der perfekte Bond-Song.
Ja, das fand ich auch. Dieses Lied hat aber auch damit zu tun, dass ich sehr früh in Berührung mit Filmmusik kam. In der CD-Sammlung meiner Eltern gab es eine Compilation, bei der ich genau einen Song besonders mochte. Ich hatte keine Ahnung, wer Shirley Bassey war, konnte auch nicht lesen, was auf der Hülle stand. Aber ich wusste, dass „Goldfinger“ eine sensationelle Nummer war. Sollte ich eines Tages die Gelegenheit bekommen, den Bond-Song zu singen, wäre ich überglücklich.
Dieser Tage ist Ihr Video zur Single „Heroes“ erschienen. In der Popmusik ist das alles andere als ein neuer Begriff. Bowie und andere haben schon über Heroes gesungen. Wer ist denn für Sie ein Held?
Für mich ist der Begriff Held ein ganz schwieriger. Wahnsinnig schlau, dass ich mich damit jetzt mal auseinander gesetzt habe
(lacht). Prinzipiell denke ich, dass jeder ein Alltagsheld sein kann. Und auch davon erzählt dieses Lied. Dass uns allen dasselbe mitgegeben wird. Aber es kommt eben darauf an, was man selbst daraus macht oder was die Gesellschaft damit macht. Generell sollte jeder jeden so akzeptieren, wie er ist. Ach so, und dann ist für mich derjenige ein Held, der sich aufopfert, der leidet.
Sie werden von vielen Menschen als Hero gesehen. Wie gehen Sie damit um?
Ganz schlecht. Ich mache nichts Selbstloses. Ich opfere mich nicht auf.
Doch Sie kämpfen und der Kampf wird anerkannt.
Ja, ich kämpfe. Aber aus sehr egoistischen Gründen.
Dann sind Sie ein egoistischer Held.
Ja, wenn Sie wollen, dann bin ich genau das. Niemand hat mich dazu gezwungen, das zu machen, was ich mache. Niemand sagt mir: „Conchita, sag mal das oder das. Das kommt gut!“. Ich mache alles, was ich tue, aus freien Stücken.
Mit Ihnen ist auch Ihr Spruch „We are unstoppable“ um die ganze Welt gegangen. Klingt so, als hätte ihn eine Werbeagentur kreiert.
Wissen Sie, welche Geschichte hinter dem Satz steckt? In der Nacht vor meinem Song-Contest-Auftritt hatte ich einen visionären Moment oder eine kurze geistige Umnachtung. Ich habe mit meinem Spiegelbild darüber gesprochen, das Ding vielleicht gewinnen zu können. Und dann habe ich zu Tom im Spiegelbild gesagt: „Sollten wir wirklich gewinnen und auf der Bühne etwas sagen müssen, dann muss meine Rede mit Unstoppable enden“. So kam dieser Spruch zu mir.
Gleich nach dem Sieg setzten zwei Dinge ein. Jubelstürme auf der einen Seite. Aber auch ein regelrechter Shitstorm im eigenen Land. Wie sind Sie damit umgegangen?
Mit dem Shitstorm? Sehr unhöflich, muss ich gestehen. Das ist mir sowas von egal. Ich kann Kritik annehmen, wenn sie konstruktiv ist. Wenn ich daraus meinen Benefit ziehen kann. Aber ich verstehe nicht... nein: Eigentlich stimmt mich das Ganze ein bisschen dankbar. Denn wenn Leute so viel Zeit damit verbringen, sich mit etwas auseinander zu setzen, was sie offensichtlich nicht mögen, dann bin ich denen ja wahnsinnig wichtig. Und meine Erziehung fordert da eigentlich ein Dankeschön!
Und was sagen Sie denen, die meinen, dass es nun mal genug ist mit Statements von Ihnen?
Ein Statement allein reicht nicht. Ich weiß doch, dass viele Menschen von mir genervt sind: „Ach, Conchita schon wieder. Holt die Friedenstauben raus.“ Mir ist das bewusst. Aber ich werde nicht müde, es immer und immer wieder zu wiederholen. Denn, es hat sich noch nichts geändert. Tante Wurst wäre sehr schnell still, würden alle mal brav sein!
Es ist ein irres Jahr, das hinter Ihnen liegt. Jetzt zum Schluss mal eben den UN-Generalsekretär getroffen.
Das war Wahnsinn. Für mich ist Ban Ki-Moon einer der wichtigsten Menschen, die es auf der Erde gibt. Denn er ist der Verantwortliche für die Menschenrechte, die mir so wichtig sind.
Was spricht man denn mit so einem Mann unter vier Augen?
Zum Beispiel, dass er ein paar Jahre Botschafter in Österreich war. Aber sein Deutsch ist nicht mehr sehr gut. Was ich ihm auch gesagt habe. Und er meinte, das wäre halt nicht seine Spezialität. Dann haben wir uns in einem sehr lockeren, aber auch kurzen Gespräch, darüber ausgetauscht, was uns beiden wichtig ist.
Wie bekommt man so ein Jahr verarbeitet? Erleben, abspeichern und 2015 verarbeiten?
Ich glaube auf jeden Fall, dass ich vieles erst später verarbeiten werde. Zum Beispiel, wenn ich mich hier und jetzt in Berlin darüber reden höre, dass ich den Eurovision Song Contest gewonnen habe, könnte ich zugleich aufschreien: „Was ist passiert?! Was hast Du gewonnen?!“. Andere Dinge in diesem Jahre habe ich aufgesaugt und genossen. Wie zum Beispiel die Woche, die ich in Paris im „Crazy Horse“ getanzt habe. Das war eine unglaublich intensive Erfahrung. Den Song Contest erlebe ich immer nur durch die Bilder dieser Nacht. Ich selbst habe noch keine Erinnerungen daran.
In der Öffentlichkeit treten Sie als Conchita Wurst auf. Wenn Sie nach Hause kommen und sich abgeschminkt haben, sind Sie wieder Tom. Wie schwierig ist die Transformation?
Leichter als gedacht. Der Bruch zwischen Conchita und Tom ist dermaßen körperlich spürbar, dass ich in einem komplett anderen Stadium der Entspannung bin. Ich sage das jetzt nicht, um mich zu beschweren. Aber eine Drag-Queen zu sein, ist zu 70 Prozent Schmerzen. Wenn diese Schmerzen aufhören, ist man einfach wie neugeboren
(lacht). Und dann genieße ich es, als Tom Dinge zu tun, die Conchita nie tun würde.