A Most Wanted Man
Philip Seymour Hoffman auf der Höhe seiner Kunst
21.07.2014
Die Fans von Philip Seymour Hoffman sollten den Termin rot anstreichen. Am 11. September läuft „A Most Wanted Man“ im Kino an, die Verfilmung des Spionage-Bestsellers von John le Carré. Oscar-Preisträger Seymour Hoffman, der am 2. Februar so tragisch an einer Überdosis starb, ist hier in einer seiner letzten großen Hauptrollen zu sehen. Er spielt einen deutschen Geheimagenten, der in der Zeit nach 9/11 mit einiger Verbissenheit nach muslimischen Terroristen sucht. FilmClicks zeigt schon jetzt den deutschen und den englischen Trailer des Thrillers, in dem Herbert Grönemeyer (Bild unten, links) wieder mal als Schauspieler auftritt.
Geheim und Gesetz. Der erste Satz im Trailer wirkt so, als wäre er auf die aktuelle NSA- und Abhör-Debatte gemünzt. „Die Geheimdienste in Deutschland müssen Aufgaben erfüllen, die mit deutschen Gesetzen unvereinbar sind“, sagt Philip Seymour Hoffman in der Rolle des Agenten Günther Bachmann. Der Mann ist im Jagd-Modus. „Man braucht einen kleinen Fisch, um einen Barrakuda zu fangen. Und man braucht einen Barrakuda, um einen Hai zu fangen.“ Widersprüche duldet er nicht. „Sie sind Anwältin? Sie sind eine Sozialarbeiterin für Terroristen“, schnauzt er die Verteidigerin eines Verdächtigen an. Alles geschieht im Sinne eines höheren Ziels. „Wir wollen die Welt sicherer machen.“ Na klar.
Klingt nach einem Werbevideo für das aufopferungsvolle Schaffen der Geheimdienste. Doch natürlich ist das Gegenteil der Fall. John le Carré, der in seinen jungen Jahren selbst für den britischen Nachrichtendienst arbeitete, bevor er zum Meister des Spionageromans wurde, wirft einen äußerst kritischen Blick auf das Treiben der Schlapphüte. Im Zentrum der Story steht ein junger Tschetschene, dem die Flucht nach Deutschland geglückt ist. Doch für den Agenten Bachmann wird er zum „Most Wanted Man“.
Der Film spielt in der Zeit nach 9/11 (dass „A Most Wanted Man“ am 11. September im Kino startet, ist eine kleine Pointe des Verleihs). Der Deutschland-Kenner le Carré wählte Hamburg als Schauplatz, und das macht Sinn: In Hamburg bereiteten sich die Terroristen um Mohammed Atta für die Anschläge aufs World Trade Center vor – unbemerkt von den deutschen Behörden. Entsprechend hoch war der Druck, in den Jahren danach Erfolge bei der Terroristenjagd vorzuweisen. Auch wenn dabei möglicherweise Unschuldige ins Visier gerieten: Der treffende deutsche Titel des Romans „A Most Wanted Man“, der für den Film nicht übernommen wurde, lautet „Marionetten“.
Der holländische Regisseur Anton Corbijn („The American“ mit George Clooney) holte Stars aus Hollywood (Rachel McAdams, Willem Dafoe, Robin Wright) und Stars aus Deutschland (Daniel Brühl, Nina Hoss, Herbert Grönemeyer) vor die Kamera. Doch im Zentrum steht das Spiel von Philip Seymour Hoffman.
John Le Carré veröffentlichte jetzt in der „New York Times“ eine Hymne auf den verstorbenen Schauspiel-Granden. Er beschreibt seine erste Begegnung mit Seymour Hoffman („kein anderer Schauspieler hat mich je so beeindruckt – weder Richard Burton noch Burt Lancaster oder sogar Alec Guinness“). Er lobt das radikale, extreme, sich selbst verzehrende Spiel seines Hauptdarstellers. Und er macht die große Kunst des in jeder Hinsicht großen Mannes an einem Detail sichtbar – der Sprache.
Le Carré: „Wir hatten wirklich gute deutsche Schauspieler, die Englisch mit einem deutschen Akzent sprachen. Auch Philip sollte dies tun. Doch in den ersten Minuten dachte ich, meine Güte. Kein Deutscher, den ich kannte, sprach so ein Englisch. Dann aber tat er Schritt für Schritt das, was nur die größten Schauspieler beherrschen. Er machte seine Stimme zur einzig authentischen. Und jedes Mal, wenn er die Bühne verließ, wartete man auf die Rückehr dieser Stimme, ungeduldig und mit wachsendem Unbehagen.“ Nachsatz: „Wir werden eine lange Zeit auf einen neuen Philip warten müssen.“
Wer wissen will, was John le Carré meint, braucht nur beide Trailer zu vergleichen. Bei allem Respekt vor dem deutschen Synchronsprecher: Zwischen Philip Seymour Hoffmans Original und der deutschen Fassung liegen Welten.