The Announcement
Regisseur: Mahmut Fazil Coscun (Türkei)
Genre: Politsatire
Irgendwie beruhigend, dass Filme wie „The Announcement“ auch heute in der Türkei gedreht und von dort zu Festivals verschickt werden können: Das ist ein Hinweis darauf, dass die Freiheit der Kunst auch in der Ära Erdogan noch existiert. Denn die Geschichte, die Regisseur Mahmut Fazil Coscun hier erzählt, kann den Machthabern und speziell dem Militär keinesfalls gefallen. Es geht um eine Gruppe von türkischen Offizieren, die am 22. Juni 1963 gegen die Regierung putschen wollen. Doch der Staatsstreich scheitert kläglich. Unter anderem deswegen, weil die nicht sonderlich hellen Putschisten im staatlichen Radio keinen Tontechniker finden, als sie in der Nacht ihre Umsturz-Botschaft unters Volk bringen wollen. „The Announcement“ ist ein stiller und absurd komischer Film, der erzählt, dass zwischen Machtgelüsten und Machtübernahme zum Glück oft ein unüberwindlicher Graben liegen kann.
Das melancholische Mädchen
Regisseurin: Susanne Heinrich (Deutschland)
Genre: Groteske
„Das melancholische Mädchen“, im Januar bereits mit dem Max-Ophüls-Preis ausgezeichnet, ist einer der Höhepunkte im Programm von Crossing Europe. Die Filmemacherin Susanne Heinrich nimmt liebevoll den Zeitgeist unserer postmodernen Gesellschaft auf die Schaufel, in der Liebes-Sehnsüchte schmerzhaft mit dem Wunsch nach Unabhängigkeit kollidieren können. Und in der es vom Drang nach Selbstoptimierung bis zum Versinken in obskuren Gruppen-Aktivitäten nicht weit ist. Der Film wird getragen von der hinreißenden jungen Schauspielerin Marie Rathscheck, die mit unbewegter Mimik (Buster Keaton wäre entzückt!) durch die aufwühlendsten Situationen und Emotionen geistert. Eine knallbunte Optik und ein luxuriöser Soundtrack mit edlem Bigband-Jazz machen den Film auch optisch und akustisch zum großen Vergnügen. „Das melancholische Mädchen“ läuft im Juni in Österreichs Kinos an und hat das Zeug zum Arthaus-Hit.
Dreissig
Regie: Simona Kostova (Bulgarien / Deutschland)
Genre: Drama
Der Titel ist ein Hinweis auf das Alter der Protagonisten: „Dreissig“ wirft einen Blick auf eine Gruppe von sechs befreundeten Männern und Frauen aus Berlin. Der Film begleitet die Clique durch 24 Stunden ihres Lebens. Vom Aufwachen über die Verrichtungen des Tages bis zu einer durchgetanzten Nacht. Den Aufhänger liefert der dreißigste Geburtstag des (schreibgehemmten) Autors Övünc. Seine Freunde Pascal und Raha, Kara, Anja und Henner gratulieren mit Geschenken und selbstgebackener Torte. Doch hinter einer lächelnden Fassade haben sie alle ihre seelischen Schrammen versteckt. In der langen Nacht brechen die Konflikte mehr oder minder ungehemmt hervor. „Dreissig“ ist ein Spielfilm ohne großen Plot, der in seiner Machart an eine Reportage erinnert. Doch trotz der alltäglichen Ereignisse schaut man gern zu, weil Regisseurin Simona Kostova ein sicheres Händchen für dramatische Situationen hat und weil die (unbekannten) Darsteller ihre Figuren packend zeichnen.
Home Games
Regisseurin: Alisa Kovalenko (Ukraine)
Genre: Dokumentation
Die junge Regisseurin Alisa Kovalenko porträtiert in „Home Games“ die begabte Fußballerin Alina Shylova, die von einer Karriere in der ukrainischen Nationalmannschaft träumt, zugleich jedoch mit einer schwierigen familiären Situation konfrontiert ist. Die 20-Jährige aus bitter armen Verhältnissen muss sich um ihre beiden jüngeren Geschwister kümmern, weil ihre Mutter früh stirbt und weil ihr Vater ein Alkoholiker ist, von dem weder ideell noch finanziell irgendwelche Beiträge zum Familienleben zu erwarten sind. Der eindrucksvolle kleine Film wechselt geschickt zwischen den sportlichen und den privaten Welten seiner Protagonistin. Zugleich liefert diese Geschichte von den ganz armen Menschen aus der Ukraine einen Eindruck davon, warum dieses große Land, in dem viele Bürger vom Westen träumen, so weit von westlichen Verhältnissen entfernt ist.
The Souvenir
Regie: Joanna Hogg (Großbritannien)
Genre: Melodram
Die britische Regisseurin Joanna Hogg holte sich die Inspiration für ihren neuen Film aus eigenen Erlebnissen. Es geht um eine junge Filmstudentin aus reichem Hause, die sich im England der frühen 1980er Jahre in einen überheblichen Upper-Class-Schnösel verliebt. Anfangs gelingt es dem Mann, hinter seiner arroganten Aura zu verbergen, dass er heroinabhängig ist. Doch irgendwann entdeckt das Mädchen die Injektions-Spuren in seinem Ellbogen. Da ist es um sie aber schon geschehen. Sie hält dem Junkie die Treue – bis zum tragischen Ende. „The Souvenir“ ist ein für alle Protagonisten qualvolles Melodram, das auf etliche Beobachter (darunter der FilmClicks-Berichterstatter) auch quälend wirkt: Uninteressante, oberflächliche Figuren in einer langatmig und pathetisch vorgetragenen Geschichte. Es sei aber angemerkt, dass der Film auch positive Bewertungen erhält.
Standard-Kritiker Dominik Kamalzadeh etwa lobte die Tragödie als Erzählung darüber, „wie schwierig es ist, dem Leben eine künstlerische Form zu geben, die dessen Verschränktheiten entspricht“. Nun denn. Für die künstlerische Form sind in „The Souvenir“ übrigens auch die Leinwand-Novizin Honor Swinton Byrne und Tilda Swinton verantwortlich: Sie agieren wie im wirklichen Leben als Tochter und Mutter.