Berlinale 2020

Ein fabelhafter Abstecher ins Elfenreich

22.02.2020
von  Peter Beddies
Berlinale-Blockbuster: „Onward – Keine halben Sachen“ spielt in einer modernen Elfenwelt © Pixar
Das große Hollywood-Kino ist bei der Berlinale 2020 nur am Rande vertreten. Das Pixar-Studio lieferte am 21. Februar die Ausnahme von dieser Regel. Die Trickfilm-Manufaktur aus Kalifornien brachte ihren neuen Blockbuster „Onward – Keine halben Sachen“ zur Galapremiere nach Europa. Das Animations-Abenteuer von Regisseur Dan Scanlon spielt in der Welt von Elfen und anderen Fabelwesen. „Onward“, im Berlinale-Palast gefeiert, läuft schon am 5. März regulär in unseren Kinos an.

Ehrengast bei der Berlinale: „Onward“-Regisseur Dan Scanlon © Pixar

Onward - Keine halben Sachen 
Genre: Fantasy-Trickfilm  
Regie: Dan Scanlon (USA)  
Stars: Tom Holland, Chris Pratt (Stimmen Originalfassung), Annette Frier (Stimme deutsche Fassung)  
Berlinale-Premiere: Special Gala  
 
Hin und wieder kommt man nicht umhin, zu denken, dass auch Pixar, die ehemals weltbeste Animations-Ideenschmiede, im Alltag der Fortsetzungs-Blockbuester angekommen ist. Mit dem kleinen Unterschied zum Rest der Branche, dass diese Fortsetzungen entweder sehr gut geraten (wie etwa „Die Monster Uni“) oder einfach genial (wie „Toy Story 4“). Aber am allerschönsten ist es doch, wenn Pixar, das längst zu Disney gehört, mit einer völlig neuen Geschichte um die Ecke kommt. Wie zum Beispiel jetzt mit „Onward – Keine halben Sachen“.
 
Wobei – völlig neu? Dieses Gefühl hat man auf keinen Fall, wenn man dieses Fantasy-Abenteuer anschaut. Man muss ja immer sieben bis zehn Jahre zurückrechnen, um zu dem Termin zu kommen, an dem ein neuer Pixar- oder Disney-Trickfilm seinen Anfang nahm.
 
Nehmen wir mal an, mit „Onward“ ging es 2013 los. Da wurde gerade die dritte Staffel der Serie „Game Of Thrones“ ausgestrahlt. Die ganze Welt schien im magischen Drachenfieber zu sein. Das ist heute kaum noch spürbar. Allerdings könnte das Jahr 2021 mit dem Serienstart von Amazon Primes „Der Herr der Ringe“ dem Fantasy-Genre einen neuen Schub verleihen. 
 
Die Frischzellenkur zum Überbrücken der Wartezeit liefert jetzt „Onward“. Mit einer Geschichte, wie sie eben nicht in „Game of Thrones“ mit all seiner Wuchtigkeit und Ernsthaftigkeit vorkam: Hier geht’s um eine typische Coming-Of-Age-Story, allerdings unter Elfen, die sich in einer magischen Welt zurechtfinden müssen.
 
Die ersten fünf Minuten des wie stets bei Pixar brillant animierten Films sind die blanke Systemkritik. Regisseur Dan Scanlon und sein Team berichten von einer Zeit, als es noch reichlich Magie auf der Welt gab. Heute jedoch, selbst in diesem Elfenreich, besitzt jeder und jede ein Smartphone. Man fliegt lieber mit dem Flugzeug, anstatt die Flügel zu benutzen. Und der Minotaur hat schon lange seine Fähigkeit verloren, schnell wie der Wind zu rennen. Auch der benutzt das Auto. 
 
„Onward - Keine halben Sachen“ beginnt am 16. Geburtstag eines Teenagers namens Ian (Originalstimme: Tom Holland). Er will mit seinem älteren Bruder Barley (im Original: Chris Pratt) und seiner Mutter (in der deutschen Synchro: Annette Frier) feiern. Daraus wird aber nichts. Denn die Mutter übergibt den Jungs einen Zauberstaub ihres verstorbenen Mannes, den Ian niemals kennengelernt hat. Anbei liegen Instruktionen, wie man den Vater für einen einzigen Tag zurückholen kann. Allerdings geht der Zauber schief und der Vater materialisiert sich nur von den Füßen bis zum Gürtel. Um ihn ganz in diese Welt zu holen, müssen sich die Jungs auf eine gefährliche Reise begeben. 

Was nun? Ians herbeigezauberter Vater ist nur zur Hälfte sichtbar © Pixar

Nach einer sehr schönen Einleitung, in der die Rollen verteilt werden (Ian traut sich nichts zu, während Barley keine Angst zu haben scheint), nimmt „Onward“ richtig Fahrt auf. Wenn die Jungs mit ihrem halben Vater in ein selbstgebautes Auto steigen und den Schaltknüppel auf O wie Onward stellen, rast der Film von einer Attraktion zur nächsten.
 
Mal geht es rasant zu wie in „Fast And Furious“, dann wieder abenteuerlich wie einst in „Indiana Jones“. Ein Fabelwesen namens Mantikor muss von seiner Bestimmung überzeugt werden Es gibt einen alten Fluch und einen riesigen Drachen, wie man ihn bisher noch nicht gesehen hat. Die Brüder Ian und Bradley wachsen an ihren Aufgaben. Und am Ende... 
 
...tja, auch wenn man meint, dieses Mal auf die Attacke mit der Träne, die laut Walt Disney in jedem seiner Filme geweint werden muss, nicht hereinzufallen. Auch wenn man diesen Moment schon lange vorher kommen sieht: „Onward“ ist so gut gemacht, dass man auch diesmal gern ein bisschen mitweint.
 
Die Botschaft des Films lautet dann, „genießt die Momente mit den Menschen, die euch die Liebsten sind, egal wie lang oder kurz!“ Das hat man sicher schon Tausend Mal gesehen und gehört. Aber man kann es nicht oft genug wiederholen.
 
Offen bleibt nur die Frage, wie es weitergeht. Regisseur Dan Scanlon bringt in den 103 Minuten von „Onward“ eine Familien-Reise ganz wunderbar zu Ende. Nur die Zeit, die magische Welt der Elfen in aller Ruhe vorzustellen, die hat er nicht. Aber, wie eingangs erwähnt: es gibt ja Fortsetzungen…
 
Kinostart: 5. März 2020
Publikums-Chancen: Sehr hoch
Gesamteindruck: Ein herrlich wilder magischer Trickfilm-Ritt, der genau an den richtigen Stellen sehr zu Herzen geht