Der Goldene Handschuh
Genre: Horror-Groteske
Regie: Fatih Akin (Deutschland)
Stars: Jonas Dassler, Margarethe Tiesel, Hark Bohm, Marc Hosemann
Berlinale-Premiere: im Wettbewerb um den Goldenen Bären
Den „Goldenen Handschuh“ gibt es schon gefühlte Ewigkeiten. In die schmuddelige Szenekneipe nahe der Hamburger Reeperbahn zieht es seit den 1950er Jahren alle möglichen schrägen Gestalten. In den Siebziger Jahren verkehrte hier auch der Frauenmörder Fritz Honka, dem der Schriftsteller Heinz Strunk 2016 einen Roman und der Regisseur Fatih Akin nun einen grellen, grausamen Film gewidmet hat.
Heinz Strunk beschreibt in seinem Säufer-Roman detailliert, wie es in der Kneipe aussieht und wer sich dort warum seine Zeit vertreibt. Es entstand ein mehrfach ausgezeichnetes literarisches Sittenbild. Das Lesen des Buches ist ein (manchmal grenzwertiges) Vergnügen. Das Kopf-Kino funktioniert prächtig. Man bekommt das Gefühl, den Laden und seine Dauergäste bestens zu kennen. Aber will man all die Grausamkeiten auf der Leinwand sehen?
Der Hamburger Regie-Star Fatih Akin („Gegen die Wand“) hat die Frage nun ganz eindeutig mit Ja beantwortet. Doch er musste bei der Berlinale-Weltpremiere auch zugeben: „Der Film ist vielleicht nicht jedermanns Sache“.
Schon in den ersten Szenen wird das schmerzhaft klar. In der Wohnung von Fritz Honka (Jonas Dassler spielt ihn großartig) liegt die erste Frauenleiche. Der Mörder bekommt sie nicht in einen Müllsack gestopft. Also will er sie zerteilen. Nimmt sich eine Säge und setzt am Hals an. Da ihm das Geräusch zu laut erscheint, legt er sich eine Platte auf. Zu Adamos „Es geht eine Träne auf Reisen“ hört man minutenlang, wie der Frau der Kopf abgesägt wird. Wie gesagt - man hört. Es ist nicht so viel Gewalt zu sehen wie in einem alltäglichen Horrorfilm.
Alltäglich ist „Der Goldene Handschuh“ auf keinen Fall. Akin bleibt ganz dicht an diesem Fritz Honka und seinen Taten dran. Doch anders als der Roman, der Erklärungen gibt, warum Honka zum Mörder wurde, verzichtet der Film komplett auf die Suche nach dem Motiv.
Man sieht ein und andere Mal, wie sich Honka alte Frauen in seine Wohnung holt, sich dort mit ihnen besäuft, am Geschlechtsverkehr scheitert und sie dann grausam ermordet. Auf die Dauer ist das – ähnlich wie bei der Blutorgie „The House That Jack Built“, dem letzten Film von Lars von Trier – sehr ermüdend. Eben deshalb, weil der Zuschauer so überhaupt keine Erklärungen an die Hand bekommt.
Das pralle Schmuddel-Leben im „Goldenen Handschuh“, der Kneipe, zeigt Fatih Akin sehr anschaulich. Auch wenn die zumeist gescheiterten Existenzen im Roman noch besser rüberkommen. Dort werden ihre Gedanken in aller Ausführlichkeit ausgebreitet. Akin zeigt kaputte Typen in Großaufnahme. Aber nur selten können wir in ihre Seelen blicken.
Fazit: Mutig sollte man den Hamburger Horror des Hamburger Regisseurs Akin auf jeden Fall nennen. Der Film hat – besonders dann, wenn er eng an der Romanvorlage bleibt – gelungene Momente. Aber als Ganzes funktioniert diese filmische Schlachtplatte leider nicht.
Kinostart: 22. Februar 2019
Publikums-Chancen: Eher gering
Gesamteindruck: Zeitreise in die 70er Jahre, die mit ihrer Brutalität eher verstört. als zu unterhalten