Heinrich Staudinger Über Film, Rebellen und Unternehmer


„Auch das Leben hat Regie geführt“

09.04.2016
Interview:  Gunther Baumann

Heini Staudinger: Der Querdenker steht im Zentrum der Doku „Das Leben ist keine Generalprobe“ © Polyfilm/Shao Hui He

„Ich würde es beglückend finden, wenn dieser Film Menschen dazu bringt, ihrer Sehnsucht zu folgen“, sagt Heinrich „Heini“ Staudinger über die Doku „Das Leben ist keine Generalprobe“ (jetzt im Kino),  in deren Zentrum er steht. Das ist ein gewöhnlicher Satz für einen Schuhfabrikanten – aber Staudinger ist ja auch ein ungewöhnlicher Unternehmer. Der Querdenker erzählt im FilmClicks-Interview, warum er nicht den gleichen Weg beschreiten will wie die Profit-Maximierer aus den Chefetagen: „Ein Wahnsinn in der modernen Wirtschaft ist es ja, dass man in Widerspruch mit dem Mainstream kommt, wenn einem Mensch und Natur viel wert sind.“


FilmClicks: Heini Staudinger, war der Film „Das Leben ist keine Generalprobe“ Ihre Idee?
Heini Staudinger: Überhaupt nicht. Die Idee stammt von Nicole Scherg, der Regisseurin. Ich sagte Nicole zu, ohne zu ahnen, dass sie dann fast zwei Jahre lang jeden Monat eine Woche lang bei uns sein würde. Anfangs spürten wir es, dass die Leute vom Film wieder da sind. Aber irgendwann haben wir das völlig ignoriert. Unter anderem deswegen, weil sich bei uns wahnsinnig intensiv so viele Dinge abspielten, dass wir gar keine Zeit mehr hatten, auf den Film einzugehen.  Ich glaube, das spürt man beim Film auch ein bisschen: Dass nicht nur Nicole Regie geführt hat, sondern auch das Leben.
 
Meinen Sie damit Ihre große Auseinandersetzung mit der Finanzmarktaufsicht, in der es um die Finanzierung Ihrer Firma durch private Geldgeber statt durch Bankkredite ging?
Von diesem Disput hatte noch niemand eine Ahnung, als wir mit dem Projekt begannen. Aber für den Film war das dann natürlich toll.
 
Seit dem Streit mit der FMA tragen Sie den Titel des „Schuhrebellen“ oder des „Finanzrebellen“ – oder gab es diese Attribute schon vorher?
Nein, die entstanden erst im Zuge des Streits. Im Grunde ist das ja höchst komisch: Wir hatten diese Art der Finanzierung (durch Privatdarlehen, Anm.) schon neun Jahre lang gemacht, von 2003 bis 2012. Und dann brach auf einmal der Konflikt mit der FMA aus und es hieß, ich sei ein Rebell (lacht). Ich bekam im Lauf der Jahre aber so viele Titel, dass ich eine Elefantenhaut entwickelt habe, was das betrifft – vom Rebell bis zur Ikone der neuen Wirtschaft.  Wenn ich den Film anschaue, habe ich aber das Gefühl, da stimmt was vom Rebell, und von der neuen Wirtschaft auch. Aber in Wirklichkeit sieht man, dass der Faden, aus dem all das gewoben ist, eine ganz zarte philosophische Geschichte ist, in der es um Respekt vor dem Menschen und vor der Natur geht. Ein Wahnsinn in der modernen Wirtschaft ist es ja, dass man in Widerspruch mit dem Mainstream kommt, wenn einem Mensch und Natur viel wert sind.

Heinrich Staudinger: „Respekt vor dem Menschen und vor der Natur“ © Polyfilm

Haben Sie denn etwas Rebellisches an sich – vielleicht schon seit Ihren jungen Jahren?
Ich habe 1979 in meiner Heimatstadt Schwanenstadt eine Partei namens PUM gegründet, die Partei für Umweltschutz und Menschlichkeit. Mein Onkel war zu der Zeit der Bürgermeister von Schwanenstadt, rabenschwarz. Und ich machte dann eine Zeitlang die schärfste Opposition, die mein Onkel in 36 Jahren als Bürgermeister erlebt hat. Damals hatte ich erstmalig mit dem Titel Rebell zu tun.  

Rebellen werden allerdings selten Unternehmer. Wie kam es dazu, dass Sie diese Laufbahn wählten?
Vielleicht durch eine Prägung aus der Kindheit. Meine Eltern hatten ein kleines Lebensmittelgeschäft, eine Greißlerei, in Schwanenstadt. Dadurch habe ich von klein auf den Niedergang dieser Läden miterlebt. Der Niedergang war nicht eine Folge von unternehmerischer Faulheit oder Schlamperei. Die Rahmenbedingungen änderten sich, und die erforderten, dass man mit immer weniger Personal immer mehr Umsatz macht. Das heißt, die Greißler mussten immer mehr arbeiten, aber nicht für den Gewinn, sondern fürs blanke Überleben.  Dadurch gab es bei uns am Mittagstisch immer die Fragen: Wem nützt das, warum machen wir das, wofür soll der ganze Wandel gut sein? In der Rückschau erkennen wir, dass im Lauf der Jahrzehnte viel kaputtgegangen ist. Langsam erkennen wir, dass wir uns selbst bestohlen haben.  Nur ganz wenige können daraus Nutzen ziehen, und ich glaube, dass sie sich nicht mal selbst als Sieger wähnen können, weil die Atmosphäre einfach ungemütlicher geworden ist. Nicht nur für die Armen, sondern auch für die Reichen.
 
Glauben Sie, dass Ihr Geschäftsmodell, in Österreich trotz der globalen Billig-Konkurrenz selbst zu produzieren, auch für andere Branchen anwendbar wäre?
Da müssen wir ein bisschen aufpassen, weil das ein sehr komplexes Thema ist. Überleben können jene Erzeuger, die selbst eine starke Marke haben – und die durch eigene Läden eine Kontrolle über den Vertrieb haben. Mir ist erst rückblickend klargeworden, dass uns das gelungen ist. Wir haben mit Waldviertler-Schuhe eine relativ starke Marke und wir haben mit GEA einen starken Vertrieb, der auch zu uns gehört. Es gibt heute kleine Schuhfabriken, die nicht wegen der Konkurrenz aus China zugrunde gehen, sondern dadurch, weil es den kleinen Schuhhandel nicht mehr gibt. Die verlieren ihre Vertriebs-Schiene, auch wenn die Qualität und die Preise passen.
 
Wie fühlt es sich an, Protagonist eines Films zu sein?
Da gibt es zwei Aspekte. Auf der einen Seite kann ich „Das Leben ist keine Generalprobe“ anschauen wie ein Fremder, der in ein anderes Leben hineinblickt.  Auf der anderen Seite merke ich natürlich, dass dies mein Leben ist. Beide Aspekte sind so ein bisschen ein Reflexions-Turbo, der mich ganz im Ernst sagen lässt: Ich bin dankbar, dass ich das alles erleben darf.
 
Was für eine Wirkung erhoffen Sie sich von „Das Leben ist keine Generalprobe“?
Fast jeder Mensch hat, wenn er in sich hineinhorcht, ein bisschen die Sehnsucht, nicht immer im Mainstream mitschwimmen zu müssen. Dass ich stellvertretend für andere etwas von dieser Sehnsucht umgesetzt habe, das ist, glaube ich, ein ganz wichtiger Teil meiner Popularität. Ich würde es als beglückend empfinden, wenn dieser Film Menschen dazu ermutigt, ihrer Sehnsucht zu folgen. Das zu tun, ist nicht immer gemütlich, aber ein lohnendes Projekt.



Kritik
Das Leben ist keine Generalprobe
„Das Leben ist keine Generalprobe“ ist eine fesselnde Dokumentation über den Unternehmer und Querdenker Heini Staudinger, der mit seinen „Waldviertler“-Schuhen und seinen Möbeln beweist, dass man auch mit einem alternativen Geschäftsmodell Erfolg haben kann.    Mehr...