„Ich habe für diesen Film eine Hypothek auf mein Haus aufgenommen“
15.01.2019
Interview:
Astrid Hofer
Im Jahr 2000 landete Erfolgsregisseur M. Night Shyamalan („The Sixth Sense“) mit dem Mystery-Thriller „Unbreakable“ einen Kassenschlager. Nach der späten Fortsetzung „Split“ (2017) startet am 17. Januar Teil drei der Trilogie im Kino: „Glass“. Bruce Willis, Samuel L. Jackson und James McAvoy spielen die Hauptrollen. FilmClicks traf Shyamalan (48) in London zum Interview über das große Mystery-Finale, über psychologische Tricks im Kino und die Marvel-Konkurrenz.
FilmClicks: Mr. Shyamalan, Ihre Trilogie endet jetzt mit „Glass“. Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit, dass Sie uns in fünf oder zehn Jahren doch noch einmal eine Fortsetzung von der Fortsetzung präsentieren?
M. Night Shyamalan: Man sollte nichts ganz ausschließen, aber ich denke nicht, dass das passieren wird. Ich würde nie einen Film allein wegen des Geldes drehen. Das ist für mich Prostitution. Wenn mir eine gute Idee kommt, wer weiß. Ich denke aber, ich würde daraus eher einen eigenständigen Film machen als eine Fortsetzung. Momentan habe ich schon zwei neue Projekte im Kopf, beides Thriller im Stil von „Twilight Zone“. Ich muss mich nur noch entscheiden, welche Idee ich zuerst umsetze.
War es schwierig, Bruce Willis und Samuel L. Jackson 18 Jahre nach „Unbreakable“ noch einmal für das Projekt zu gewinnen?
Es war umgekehrt. Sie haben mich ständig gefragt, wann wir eine Fortsetzung drehen. Bruce sehe ich oft, weil wir beide an der Ostküste der USA leben. Sam habe ich immer mal wieder in Los Angeles getroffen. Zwei Mal ist es passiert, dass wir zufällig an derselben Straßenkreuzung standen, er das Autofenster herunterkurbelte und fragte, wann es weitergeht. Als ich dann anrief, dass ich „Glass“ mache, haben beide sofort zugesagt.
Sie stecken Ihr eigenes Geld in Ihre Produktionen. Brauchen Sie dieses finanzielle Pokerspiel, um Ihre Kreativität anzukurbeln?
Ich arbeite stets ohne Sicherheitsnetz. Für „Glass“ habe ich eine Hypothek auf mein Haus aufgenommen. Sie können sich also meine Emotionen am Set vorstellen
(lacht). Für mich ist Disziplin wichtig. Am Anfang jeder Produktion wird ein Budget festgelegt und daran halten wir uns. Wenn uns für etwas das Geld fehlt, müssen wir einen anderen Weg finden, um es zu realisieren. Disney und Universal hätten mir viel mehr Geld für meine Filme angeboten, aber ich habe bewusst abgelehnt. Es gibt genug Studien, die besagen, dass man, wenn man unendlich viele Möglichkeiten hat, oft die falschen Entscheidungen trifft. Wir brauchen Grenzen, im Rahmen derer wir uns bewegen.
Was haben Sie sonst noch in Hollywood gelernt?
Menschen, die schnell Karriere machen, vergessen gerne, wie viel Arbeit und wie viele Rückschläge hinter jedem Erfolg stecken. Sie reden sich ein, sie hätten einfach den richtigen Instinkt gehabt. Es ist wie mit einer Schwangerschaft: Wenn das Baby da ist, erinnert man sich nicht mehr, wie anstrengend die Zeit davor war – ansonsten würde wohl niemand ein zweites Kind bekommen. Ich schreibe deshalb alles auf: Was wir bei einem Film probiert haben, was funktioniert hat, was nicht und warum. Von „Split“ etwa hatten wir 14 Screenings vor der Premiere und bei fünf hat das Publikum den Film gehasst. Das schwarz auf weiß zu sehen, hilft, auf dem Boden zu bleiben.
Ist Alfred Hitchcock für Sie ein Vorbild?
Es gibt viele Filmemacher, die ich liebe und bewundere und manche, deren Stil meinem eigenen ähnlich ist. Hitchcock und Stanley Kubrick gehören zur zweiten Kategorie. In den meisten aktuellen Blockbustern geht es um Tempo, Tempo, Tempo. Dafür ist der Inhalt dann gleich wieder vergessen. Einer Studie zufolge bleiben Filme mit einer langsameren Erzählweise viel länger im Gedächtnis, weil sich der Zuschauer emotional in die Charaktere hineinversetzt. Ich habe dem Disney-Studio von Anfang an gesagt, dass wir mit „Glass“ keinen Marvel-Film machen. Ich mag die Marvel-Produktionen, der erste „Iron Man“ ist fantastisch. Aber ich bin ein Filmemacher der alten Schule. Ich hoffe, dass das Publikum das weiter gut findet – und mich nicht nur als Dinosaurier sieht, der eben langsame Geschichten erzählt.
Ihre Frau Bhavna Vashani ist Psychologin – Ist das mit ein Grund, warum Sie in Ihren Filmen so gern mit der menschlichen Psyche spielen?
Es hat alles damit angefangen, dass ich auf der Uni zusätzlich zu meinen Filmseminaren ständig Psychologiekurse belegt habe, nur um mit meiner späteren Frau in einem Raum zu sitzen. Auch wenn ich sie das ganze Seminar lang angestarrt habe, habe ich schnell festgestellt, dass die Psychologie eine sehr spannende Materie ist. Die Kunst des Filmemachens besteht ja darin, die Emotionen des Publikums zu manipulieren. Damit haben auch Hitchcock und Kubrick gespielt. Durch Bildsprache kann man in Sekundenbruchteilen vermitteln, dass in einer Situation etwas nicht stimmt. Was, findet der Zuschauer dann gemeinsam mit den Darstellern heraus.
Wovor haben sie nach 20 Jahren Mystery privat noch Angst?
Vor denselben Dingen wie am Anfang meiner Karriere: Dass einem Familienmitglied etwas zustößt und dass man keine Gelegenheit mehr hat, seinen Liebsten das zu sagen, was man hätte sagen sollen.
Inwieweit haben Ihre Kinder Ihre Arbeit als Filmemacher beeinflusst?
Nach „The Sixth Sense“ und der Geburt meiner Kinder habe ich erstmal nur Familienfilme gedreht. Ich war richtig sentimental und habe dieses kitschige Familienleben ausgelebt. Aber dann sind meine Töchter Teenager geworden und ich habe mir gedacht, jetzt kann ich sie mal richtig schocken, ihnen Angst machen. So sind „The Visit“ und „Split“ entstanden. Eine ganze Generation liebt diese Filme.
Sie beschäftigen sehr gerne Branchen-Neulinge am Set. Wollen Sie den Jungen einfach eine Chance geben oder steckt noch ein anderer Grund dahinter?
Ich hatte das Glück, schon mit 21 in der Branche Fuß zu fassen. Bei „Der sechste Sinn“ war ich 28. Menschen tendieren leider dazu, im Lauf ihres Lebens Risiken zu vermeiden. Wir Künstler setzen gerne unser Handwerk ein, um uns zu schützen. Doch das ist genau das falsche. Du musst als Künstler angreifbar, verletzlich sein. Deshalb tausche ich bei jedem Film mein Team aus. Für viele ist es der der erste oder zweite Film. Diese Leute kommen mit frischen Ideen und sind bereit, Risiken einzugehen. Unser Komponist bei „Glass“ etwa hat mitten in der Nacht seine Drums und Mikros in einem Krankenhaus aufgebaut und den Soundtrack aufgenommen. Solche Leute inspirieren mich, aus meiner Komfortzone herauszugehen und auch selbst weiter unkonventionelle Wege einzuschlagen.