Hans Petter Moland
über sein Thriller-Remake „Hard Powder“ und den Shitstorm gegen Liam Neeson
„Früher hatten wir Paparazzi. Heute gibt es die Twitterazzi“
02.03.2019
Interview:
Peter Beddies
Der norwegische Regisseur Hans Petter Moland bekommt es derzeit Kalt-Warm. 2014 landete er mit der rauen Thriller-Groteske „KraftIdioten“ („Einer nach dem anderen“) einen so großen Hit, dass Hollywood ein Remake von ihm bestellte. Große Freude. Für den neuen Film „Hard Powder“ (jetzt im Kino) erhielt er glänzende Kritiken – nicht zuletzt wegen des großartigen Spiels von Hauptdarsteller Liam Neeson. Doch dann gab Neeson ein verstörendes Interview über persönliche Rachegedanken. Die Folge: Ein Shitstorm im Internet – und schwächere Zuschauerzahlen als erwartet im Kino. Hans Petter Moland vermutete beim FilmClicks-Interview während der Berlinale, dass die meisten Shitstormer seinen Film gar nicht gesehen haben. Und er gelangte zur Erkenntnis: „Früher hatten wir Papparazzi. Heute gibt es die Twitterazzi.“
FilmClicks: Herr Moland, Sie haben mit „Hard Powder“ ein US-Remake Ihres eigenen Thrillers „KraftIdioten“ realisiert. Wie kommt man auf die Idee, seinen eigenen Film noch einmal zu drehen?
Hans Petter Moland: Das war nicht meine Idee, um das mal ganz deutlich zu sagen.
Wie ist es dann passiert?
Meine Original-Version von „KraftIdioten“ lief 2014 bei der Berlinale. Am nächsten Morgen stand mein Telefon nicht mehr still. Alle möglichen Leute wollten mir die Rechte abkaufen. Unter ihnen war auch der legendäre Produzent Michael Shamberg.
Der hat Tarantino produziert. War auch bei „Erin Brockovich" mit dabei.
Und bei Filmen wie „Get Shorty" – exakt. Guter Mann. Der wollte die Rechte haben. Und nicht nur das.
Wieso?
Naja, er hat mir gesagt, dass er die Rechte und mich als Regisseur haben will.
Warum?
Er hat es so ausgedrückt, und das hat mich echt gefreut, dass ihm der Ton des Films so gefallen hätte. Der bitterböse tiefschwarze Humor, den wollte er auch in der US-Version haben. Und er meinte, dass es für einen anderen Regisseur schwer werden würde, den Ton zu treffen. Also hat er zu mir gesagt: „Ich nehme nur das Paket - den Film und dich als Regisseur". Dazu konnte ich nicht Nein sagen. Außerdem ging mir der Gedanke nicht mehr aus dem Kopf, dass sich auch niemand darüber aufregen würde, wenn ich ein Theaterstück in Oslo inszeniert hätte und sollte das nun am Broadway noch einmal aufführen.
Außerdem gibt es ja auch Geschichten, die häufiger umgesetzt werden.
Exakt. Man denke nur an das von vielen Ihrer Kollegen hochgelobte „A Star Is Born“. Schon die dritte Verfilmung des Stoffes.
Mögen Sie das Wort Remake?
Nicht so sehr. Ich mag das Wort Neudeutung lieber. Der Film ist ja nicht 1:1 übernommen. Ich habe in „Hard Poweder“ einige Sachen leicht verändert. Aus der Serben-Mafia-Bande ist jetzt eine amerikanische geworden. Außerdem spielen auch indigene Menschen eine Rolle, die etwas vom Kuchen abhaben wollen. Und so weiter und so fort.
Und Sie holten mit Liam Neeson einen neuen Hauptdarsteller. Hatten Sie mit dem Gedanken gespielt, wie in „KraftIdioten“ wieder Stellan Skarsgard zu besetzen? Er dürfte in Hollywood gut bekannt sein.
Nein, mit der Idee habe ich nicht gespielt. Stellan ist ein guter Freund, den ich gern in meinen Filmen besetze. Demnächst spielt er sogar mich. Aber das ist ein Projekt meiner Frau. Dazu möchte ich nichts weiter sagen. Wer wissen will, wie Stellan Rache übt, der kann sich ja das Original anschauen. Für den neuen Film haben wir Liam Neeson angefragt. Und zum Glück hatte er Lust auf die Rolle.
Er macht das auch ganz ausgezeichnet. Aber wir wissen alle, was dann passierte. Liam Neeson hat sich in einem Zeitungs-Interview dazu geäußert, dass er mal Rachegedanken hatte. Vor mehr als 40 Jahren. Und dann brach das Internet der Schreier los. Waren Sie sehr traurig?
Tja, was soll ich sagen? Es gibt offenbar Menschen, die lieber in der Gerüchteküche rumköcheln, anstatt ins Kino zu gehen. Ich finde, dass man kritisieren kann. Aber dazu sollte man den Film gesehen haben. Und wenn man den Film sieht, dann bekommt man einen Liam Neeson zu sehen, der ganz anders spielt als in seinen letzten Rachefilmen.
Weil Sie die Geschichte ja ganz anders angelegt haben.
Stimmt. „Hard Powder“ ist keine typische Rachegeschichte. Das ist ja auch das gewesen, was Liam so gut daran gefiel. Es ist eine Geschichte über die Borniertheit und letztendlich über die Unmöglichkeit von Rache. Jeder, der sich in diesem Film auf Rache einlässt, wird alles verlieren, was ihm lieb und teuer war. Das kann man nicht übersehen. Wenn sich jetzt also Menschen über den Film aufregen, gehe ich mal davon aus, dass sie den Film nicht gesehen haben.
Und wenn jemand wie Lily Allen, die Sängerin, Liam Neeson als „racist pig“ beschimpft?
Dazu fällt mir nichts mehr ein. Wissen Sie, früher hatten wir die Paparazzi. Die waren schon schlimm und man konnte nur wenig gegen sie machen. Aber heute gibt es die Twitterazzi. Die brüllen los und lassen nur noch Schwarz oder Weiß gelten. Die vielen Töne von Grau sind diesen Menschen nicht bekannt.