Caleb Landry Jones
über seinen Film „To The Night“ und seine erstaunliche Karriere
Oscar-Hits und Austro-Drama
17.06.2019
Interview:
Gunther Baumann
Wenn Filmemacher in den USA junge Darsteller suchen, die mit kleinen Rollen große Wirkung erzielen sollen, dann fällt die Wahl oft auf Caleb Landry Jones. Der 29-jährige Texaner, der seine Karriere als Teenager im Coen-Brothers-Meisterwerk „No Country For Old Man“ begann, hat eine erstaunliche Anzahl hochdekorierter Filme in seinem Werkverzeichnis: vom Facebook-Drama „The Social Network“ bis zum Horror-Hit „Get Out“. Aktuell ist Landry Jones in Österreichs Kinos mit zwei neuen Filmen am Start. Er spielt eine wichtige Nebenrolle in Jim Jarmuschs Zombie-Komödie „The Dead Don’t Die“ - und die Hauptrolle in „To The Night“, einem packenden Arthaus-Drama des österreichischen Regisseurs Peter Brunner über einen Künstler, der auch als Erwachsener noch unter den Folgen eines Kindheits-Traumas leidet. Zur Premiere von „To The Night“ kam Caleb Landry Jones nach Wien. Wir haben ihn zum Interview getroffen.
FilmClicks: Es geschieht nicht sehr oft, dass amerikanische Darsteller in einem österreichischen Film mitspielen. Wie sind Sie zum Projekt „To The Night“ gekommen?
Caleb Landry Jones: Nun, ich finde, „To The Night“ ist nicht so sehr ein österreichischer Film als vielmehr ein Film eines österreichischen Regisseurs, der nach New York kam, um dort mit Amerikanern zu drehen. Peter Brunner wollte mich für den Film haben. Er schickte mir das Drehbuch, das ich unglaublich gut fand, und mir war rasch klar, dass ich bei diesem Projekt unbedingt dabei sein wollte. Manchmal liest man ein Drehbuch und fühlt sich sofort mit der Geschichte verbunden – so wie bei einem guten Roman oder einem guten Song. Ich hatte auch gleich das Gefühl, dass diese Geschichte von einem außergewöhnlichen Menschen geschrieben worden sein musste. Peter Brunner und ich wurden enge Freunde.
Der Dreh zu „To The Night“ fand bereits 2016 statt. Können Sie sich noch gut an die Arbeit erinnern?
Sehr gut sogar. Dieser Film bedeutet mir viel. „To The Night“ ist die Geschichte eines Mannes, der eine große Liebe erlebt, der zugleich aber auch Schuld auf sich lädt, weil er es nicht schafft, diese Liebe so zu gestalten, dass eine wahre Familie daraus entsteht. Peter Brunner hat diese Elemente als Autor und Regisseur wunderbar herausgearbeitet und in eine berührende Story verpackt.
Ihre Figur in „To The Night“, der von seinen inneren Dämonen gepeinigte Künstler Norman, sagt zu Beginn des Films einmal verzweifelt den Satz, „Ich zerstöre das, was ich liebe.“ Können Sie mit diesem Satz etwas anfangen?
Durchaus. Das Gefühl, dass man sich in bestimmten Situationen selbst sabotiert oder sich selbst Schaden zufügt, das ist wohl vielen Leuten nicht ganz fremd. Es gibt die Momente, in denen einem das Leben einfach zu viel werden kann. Natürlich kann ich mich nicht komplett in die Situation von Norman im Film hineinversetzen, weil ich weder eine Familie noch ein Kind habe. Ich glaube, dass ich es besser beherrsche als dieser Norman, Emotionen auszudrücken. Das Schauspielen hilft dabei sehr.
Sie begannen Ihre Karriere als Teenager mit einer Mini-Rolle in „No Country For Old Men“. Das klingt nach einem Traumstart – wie ist es Ihnen denn das gelungen?
Ich war damals Mitglied der Theatergruppe an unserer High School. Unser Lehrer in dieser Gruppe brachte mich als erster auf die Idee, dass die Schauspielerei etwas Reales sein könnte, das man als Beruf ausüben kann. Er lud dann eine Frau aus einer Schauspieler-Agentur zu uns ein, der meine Monologe gefielen. Das führte dazu, dass ich meinen ersten Vertrag bekam. Ich ging dann nachher zu anderen Auditions, ohne jedoch Rollen zu kriegen. Mit 19 Jahren verdiente ich aber 5.000 Dollar für einen Auftritt im Film „The Last Exorcism“. Außerdem kauften die einen Song, den ich geschrieben hatte, um einen Dollar
(lacht). Jedenfalls benutzte ich das Geld, um nach Los Angeles zu übersiedeln…
…und mittlerweile waren Sie in kleinen Rollen in vier Filmen zu sehen, die bei den Oscars als bester Film des Jahres nominiert wurden: Neben „No Country For Old Men“ noch „The Social Network“, „Get Out“ und „Three Billboards Outside Ebbing, Missouri“.
Ja, das ist verrückt. Auf einmal gab’s ein Jahr, in dem ich sieben oder acht Schauspiel-Jobs bekam. Und darunter waren viele, von denen ich nie geglaubt hätte, dass ich bei solchen Filmen dabei sein könnte – weil die Regisseure so toll oder die Drehbücher so gut waren. John Michael McDonagh, der Bruder von „Ebbing“-Regisseur Martin McDonagh, besetzte mich zum Beispiel in einem Film namens „War On Everyone“. Das führte dann dazu, dass mich Martin McDonagh zu einer Audition für „Three Billboards Outside Ebbing, Missouri“ einlud. So bekam ich dann diesen Job – und konnte wieder mal nicht glauben, dass ich mit solchen Leuten arbeiten darf.
Wenn man Ihren Karriereverlauf anschaut, könnte man glauben, es sei gar nicht so schwierig für junge Schauspieler, sich in Hollywood durchzusetzen.
Das täuscht – es ist sehr schwer. Es ist verdammt viel harte Arbeit und man bekommt nichts geschenkt. Sicherheit gibt es nicht. Man muss von Job zu Job denken. Wenn man dann einmal die Gelegenheit erhält, bei einem Projekt mitzumachen, das man wirklich liebt – dann ist das unter Umständen der einzige Job in fünf Jahren, der all die Mühe wirklich wert ist. Aber viele Schauspieler leben für diesen Moment.
Könnte man über Sie sagen, dass Sie es geschafft haben? Dass Sie also bereits in der ersten Liga der US-Schauspieler angekommen sind?
Ich könnte nicht sagen, was einen für das „es geschafft haben“ qualifiziert. Gewiss habe ich einiges von dem verwirklicht, das ich erreichen wollte. Aber da wartet noch mehr – ich habe mir die Latte sehr hoch gelegt. Und natürlich kenne auch ich das Gefühl, eine Rolle nicht zu kriegen. Das geschieht bei Auditions öfter, als dass man den Job auch bekommt. Das wird Ihnen jeder andere Schauspieler bestätigen.
In Österreich haben Sie jetzt aber gleich zwei Filmpremieren in einer Woche. Außer in „To The Night“ sind Sie auch in „The Dead Don’t Die“ von Jim Jarmusch dabei.
„The Dead Don’t Die“ ist wieder mal einer dieser Filme mit einem brillanten Skript. Als ich den fertigen Film zum ersten Mal sah, dachte ich, der ist ja noch besser als das Drehbuch, mit all den tollen Schauspielern. In den Filmen von Jim Jarmusch gibt es immer viel Gelegenheit, zu lächeln. Aber dazwischen wartet viel Melancholie. Jims Persönlichkeit wird in seinen Filmen sehr stark reflektiert.
Haben Sie Pläne und Träume, wie es mit Ihrer Laufbahn weitergehen könnte?
Nicht konkret. Ich habe keine bestimmten Rollen vor Augen – ich hoffe einfach, dass ich die Gelegenheit bekomme, immer weiterzuarbeiten. Bis Gott irgendwann sagt, jetzt ist es genug.