Leonardo DiCaprio


„In jedem von uns steckt ein Stück Gatsby“

15.05.2013
Interview:  Peter Beddies

Leonardo DiCaprio spielt die Titelrolle in „Der große Gatsby" © Warner Bros.

Leonardo DiCaprio und Regisseur Baz Luhrmann arbeiteten vor Jahren bei „Romeo + Julia“ zusammen. Der Film wurde zum Ereignis und trieb die Karrieren beider Männer rasch voran. Jetzt sind DiCaprio und Luhrmann mit einem neuen Meisterwerk am Start: Sie drehten „Der große Gatsby“. F. Scott Fitzgeralds berühmter Gesellschaftsroman über die 1920er-Jahre (Thema: Ein reicher Mann und Dandy, der der Liebe seines Lebens nachtrauert und alles für sie zu tun bereit ist) wurde schon mehrfach verfilmt. Aber noch nie in 3D.




FILMCLICKS: Hand aufs Herz, haben Sie das Buch in der Schule gelesen?
LEONARDO DiCAPRIO: Aber natürlich. Ich kenne niemanden, der „Der große Gatsby“  nicht gelesen hätte.

Man kennt das. Es gibt Leute, die behaupten, die Bücher gelesen zu haben. Aber in Wahrheit kannten sie nur jemanden, der es gelesen hatte.
Vielleicht ist das meine deutsche Herkunft – keine Ahnung. Auf jeden Fall habe ich in der Schule immer zu den Typen gehört, die die Bücher gelesen haben, wenn das die Aufgabe war.

Können Sie sich noch daran erinnern, wie Sie es fanden?
Klar, da habe ich mich kein bisschen von meinen Mitschülern unterschieden. Wir fanden das Buch damals alle so eher lala. Wir haben nicht verstanden, was diesen Gatsby ausgemacht hat. Ich habe damals wirklich gedacht, es wäre eine von tausend beliebigen Liebesgeschichten. Wahrscheinlich hatten wir auch nicht den besten Lehrer. Zumindest hat er uns nicht vermitteln können, was diese Geschichte ausmacht.

Wann haben Sie das Buch dann erneut zur Hand genommen?
Vor ein paar Jahren, als mich Baz Luhrmann fragte, ob ich mir nicht vorstellen könnte, den Gatsby zu spielen.

Hatten Sie Robert Redford – der Gatsby 1974 gespielt hat - vor dem inneren Auge, als er Sie fragte?
Nein, ehrlich gesagt habe ich den alten Film bis heute nicht gesehen. Es würde auch meiner Ansicht nach keinen Sinn machen, so einen Film anzuschauen, nur um sich auf eine Rolle vorzubereiten. Das würde mich nur behindern. Zumal ich damals eh nicht dachte, dass aus der Idee von Baz ein Film werden könnte.

Wieso nicht?
Weil nicht jedes Buch verfilmt werden muss. Man muss manchmal auch Büchern der Phantasie des Lesers überlassen.

Wie hat Luhrmann Sie überzeugt?
Zum einen würde ich natürlich bei jedem Film von Baz mitmachen, wenn er mich fragt. Also war ich ganz schön in der Klemme. Aber dann hat er mir von der Idee der Zeitreise erzählt. Dass er glaubt, dass es jetzt mit 3D möglich sein kann, eine alte längst untergegangene Epoche wieder zum Leben zu erwecken. Er hatte die Idee, als er sich „Dial M for Murder“ von Hitchcock noch einmal ansah, der ja ein frühes Exemplar von 3D-Kino ist. Da ist ihm aufgefallen, dass es bei 3D nicht um den Effekt geht, sondern um die Charaktere. Er hat in diesem Film Grace Kelly in 3D gesehen und war hingerissen. Mit dieser Begeisterung hat er mich angesteckt.

Also mussten Sie sich den Roman noch einmal vornehmen.
Ja. Und dieses Mal hatte ich das Gefühl, ein komplett anderes Buch zu lesen.

Könnte etwas mit dem Alter zu tun haben.
Stimmt. Deshalb bin ich auch dafür, dass man alle Bücher, die man in der Schule gelesen und nicht verstanden hat, als Erwachsener noch einmal liest. Vieles kann man als Kind einfach nicht begreifen. Zum Beispiel diesen Jay Gatsby. Was er alles für seine Liebe tut, das belächelt man doch als Kind eher. Als Erwachsener findet man das– wenn man ein bisschen romantisch ist – hinreißend. Außerdem habe ich im Buch einen Gedanken entdeckt, der mir als Kind nie gekommen wäre: In jedem von uns steckt ein Stück Gatsby.

Generell überall auf der Welt oder auf Amerika bezogen?
Ich würde gern bei Amerika bleiben. Es geht nicht gut, wenn man für die ganze Welt spricht. Aber dieser Gedanke, der Amerikanern ureigen ist, dass man alles erreichen kann, wenn man denn nur will…

…auch genannt der amerikanische Traum…
…genau, der amerikanische Traum. Alles ist machbar. Und selbst im Scheitern steckt ein Triumph. Das hat Fitzgerald wunderbar in diesem Buch verpackt. Deshalb ist „The Great Gatsby“ auch mehr als eine Liebesgeschichte. Es ist ein Heldenepos und es ist ein Zeitgemälde, wie es nur wenige gibt.

Als Filmpartner – und Erzähler – haben Sie sich Ihren alten Kumpel Tobey Maguire ausgesucht.
Ja, das war sehr praktisch. Er wohnte damals direkt im Haus neben mir. So wie auch die beiden Charaktere in Buch und Film nebeneinander wohnen. Als Baz mich überzeugt hatte, dass wir den Film machen, musste ich Tobey nur anrufen und fragen, ob er mal rüber kommen wolle und über den „Gatsby“ reden.

Hat er versucht, selbst die Rolle des Jay Gatsby zu bekommen?
Nein, das hat er nicht. Und er würde unsere Freundschaft auch nicht für so etwas aufs Spiel setzen. Tobey hat genau gewusst, was in der Rolle des Nick Carraway drinsteckt. Aus seiner Perspektive wird der gesamte Film erzählt. Er trägt ihn mindestens genauso wie ich, eigentlich noch ein bisschen mehr. Außerdem hat Tobey die schönste Szene des Films abbekommen. Während einer Orgie in einem Hotelzimmer in New York darf man ihm zusehen, wie er sich – ohne dass er es will – langsam betrinkt und immer glücklicher wird. Tobey hat das sehr schön gespielt.

Wie oft hat es solche gemeinschaftlichen Abstürze Tobey-Leo gegeben?
Sagen wir mal so: Heute würde es so etwas nicht mehr geben. Und man sieht in „The Great Gatsby“ auch, dass zuviel Party schädlich sein kann. Aber selbst wenn Tobey und ich solche Phasen gehabt haben sollten, bleibt das uns allein vorbehalten. Dieses Wissen geht keinen außer uns etwas an. Sollten Sie also Berichte darüber lesen, beruhen sie auf der Phantasie des Schreibers.