GESAMTEINDRUCK: „Tully“ ist ein sympathisch-ehrlicher Einblick in das Leben einer Working Mum, der nicht nur, aber vor allem Gleichgesinnte schmunzeln lässt.
DIE STORY: Charlize Theron spielt in „Tully“ die dreifache Mutter Marlo, die mit ihrem Familienalltag heillos überfordert ist: Der Sohn ist verhaltensauffällig, die Tochter fühlt sich vernachlässigt. Dann kommt, quasi als „Unfall“, noch ein Baby hinzu – doch der Mann (Ron Livingston) ist in Sachen Kindererziehung nutzlos. Besserung naht erst, als das Energiebündel Tully (Mackenzie Davis) ins Haus schneit. Und der Familie als eine Art moderne Mary Poppins – offiziell Nacht-Nanny – tatkräftig unter die Arme greift.
DIE STARS: „Oscar“-Preisträgerin Charlize Theron („Monster“) beweist in „Tully“ einmal mehr, dass sie sich gern mit Haut und Haaren auf ihre Rollen einlässt. Statt als Glamour-Queen sieht man sie mit Augenringen. Das macht sie authentisch. Und sympathisch.
Regisseur Jason Reitman und Drehbuchautorin Diablo Cody landeten 2007 mit „Juno“ einen weltweiten Hit. 2011 realisierten sie dann, nicht ganz so erfolgreich, die Komödie „Young Adult“ – ebenfalls mit Charlize Theron.
DIE KRITK: Mutterglück ist das schönste Gefühl der Welt, heißt es oft. Dass strahlende Kinderaugen und Bilderbuch-Kitsch aber nur die halbe Wahrheit sind, davon können Millionen ein Lied singen. Wohl auch Hauptdarstellerin Charlize Theron, die selbst sagt, dass sie in „Tully“ ihre Alltagserlebnisse als Zweifach-Mama hat einfließen lassen.
„Tully“ zeigt ungeschönt, was meist hinter verschlossenen Türen geschieht: Marlo, eine Dreifach-Mutter Anfang 40, ist heillos überfordert. Während ihr Mann sich mit Computerspielen im ehelichen Bett ablenkt (die einzige Action übrigens, die dort noch stattfindet), steht sie kurz vor dem Nervenzusammenbruch.
Als ihr Bruder Unterstützung in Form einer Nacht-Nanny anbietet, reagiert sie erst erbost. Doch bald muss Marlo einsehen, dass es ohne Hilfe nicht mehr geht. Und die unkonventionelle Anfang-Zwanzigerin Tully erobert schnell im Sturm nicht nur das Herz des Kinder-Trios.
Mackenzie Davis schenkt dieser Tully eine Aura von Engelsgeduld. Und Energie ohne Ende. Sie umsorgt das Baby, aber mindestens genauso liebevoll dessen Mutter. Und zwischen Marlo und ihr entwickelt sich im Nu eine enge Freundschaft, in der beim einen oder anderen Gläschen Wein bald alles besprochen wird, von Sex-Fantasien bis hin zu Zweifeln an der Mutterschaft. Es macht Spaß, zuzusehen, wie Marlon mit Tully an der Seite aufblüht. Einzig das unnötig dramatische Filmfinale hätte man beiden gern erspart.
„Tully“ ist offiziell Komödie, doch in Wirklichkeit mehr Milieustudie einer klassischen Familie der oberen Mittelschicht. Schmunzelmomente gibt es viele, die Handlung selbst beschränkt sich auf ein Minimum. Meist sind es Momentaufnahmen aus dem Alltag, in denen sich wohl viele Mütter wiederfinden.
Damit das Ganze auch richtig realistisch daherkommt, geizt Theron nicht mit Körpereinsatz. Mehr als 20 zusätzliche Kilogramm hat sie sich vor dem Dreh mit einer wochenlangen Mac’n’Cheese- und Burger-Diät angefuttert. Oft steht sie mit zerzausten Haaren und Augenringen vor der Kamera. Mackenzie Davis wiederum gibt das flippige Kindermädchen so sympathisch, dass man sie einfach mögen muss.
„Tully“ ist kein zweites „Juno“, aber dennoch ein liebevoll gemachter Film, dessen Szenen wohl viele Eltern aus dem eigenen Leben kennen. Schade jedoch, dass die Macher trotz allen Hipster-Flairs immer wieder in wenig fortschrittliche Rollenklischees zurückfallen. Dass Marlos Ehemann die Kindererziehung völlig selbstverständlich als reine Frauensache sieht, dürfte nicht nur die Hauptdarstellerin ärgerlich finden.
IDEAL FÜR: Mütter, künftige Mütter und alle, die schon immer mal wissen wollten, wie es bei Charlize Theron (angeblich) privat so zugeht.