Tenet

James Bond des 21. Jahrhunderts


FilmClicks:
„Tenet“: Robert Pattinson und John David Washington im neuen Film von Christopher Nolan © Warner Bros.
GESAMTEINDRUCK: Christopher Nolans SciFi-Thriller „Tenet“ mag nicht die Rettung des Kinos sein. Aber für Filme wie „Tenet“ geht man ins Kino. Und genießt die Bilderflut auf der größtmöglichen Leinwand. Da können die Streaming-Dienstleister nicht mithalten.
 
DIE STORY: Ein Agent bekommt einen sonderbaren Auftrag. Er soll - nur ausgestattet mit dem Wort „Tenet“ - eine Verschwörung aufdecken. Es geht um das mögliche Ende der Welt, um einen wahnsinnigen Russen (von dem es heißt, er habe Kontakt zur Zukunft),und um  seine reizende Gattin, in die sich der Agent verliebt. Und immer wieder scheinen die Zeitebenen sich zu verschieben. Gestern, Heute und Morgen existieren in dieser Geschichte gern mal zur selben Zeit. Um Ordnung in dieses Chaos zu bringen, braucht es den besten Agenten der Welt. 
 
Elizabeth Debicki und John David Washington © Warner Bros.

DIE STARS: Dass sich Robert Pattinson nach seinem „Twilight“-Vampir-Franchise nur noch kleine feine Filme herauspickt, dieser Grundsatz hat nun wohl keinen Bestand mehr. Im kommenden Jahr, wenn es denn Corona zulässt, wird der Schauspieler zu Batman. Und in „Tenet“ darf er sein Gesicht im aufregendsten Film des Jahres zeigen.
Eine Rolle wie geschaffen für den schauspielerischen Minimalisten. Zuerst einmal stellt er sich ganz in den Dienst dieser in allen Belangen außergewöhnlichen Extravaganza. Man könnte ihn schon fast als ein wenig blass bezeichnen, bis er am Ende richtig schön aufdreht und seiner Figur Ecken und Kanten verleiht. Die meisten Szenen hat er mit seinem Leinwandpartner John David Washington, den man wohl noch als „Der Sohn von Denzel“ vorstellen muss. Was sich bestimmt bald erledigt hat. Diese Hauptrolle als James Bond des 21. Jahrhunderts jedenfalls meistert er grandios - in allen Belangen: Cool ohne Ende, psychisch und physisch fit.
Elizabeth Debicki und Kenneth Branagh als undurchsichtiges Ehepaar spielen auch sehr schöne Rollen. Branaghs Schurke hat gute Chancen, einer der besten Hollywood-Fieslinge aller Zeiten zu werden. Andere Stars wie Sir Michael Caine (den Nolan sehr gern in seinen Filmen besetzt) haben nur hübsche, wenn auch nicht unwichtige Auftritte.

Mysteriöses Ehepaar: Elizabeth Debicki und Kenneth Branagh © Warner Bros.

DIE KRITIK: Eines gleich vorab: Nein, „Tenet“ ist keine Fortsetzung von „Inception“. Beide Filme spielen auch nicht, wie es die Nolan-Fans gehofft hatten, in der selben oder einer ähnlichen Welt. „Tenet“ und „Inception“ sind beides großartige Filme darüber, was mit uns Menschen in der Zukunft geschehen könnte, wenn wir weiter so leben wie bisher. Und beide spielen  hinreissend mit dem Begriff der Zeit.
Was würde ein Regisseur wie Christopher Nolan mit Bond, James Bond anfangen, wenn man ihn ließe? Die Antwort liegt jetzt vor: Sie heißt „Tenet“’! Also wenn Filmemacher mal einen eigenen Entwurf ohne jede Rücksichtnahme auf die Produzenten der Broccoli-Familie auf die Leinwand wuchten dürften.
„Tenet“ ist mutig und radikal, dabei - wie man das von Christopher Nolan kennt - angenehm verkopft. Im Gegensatz zur Bond-Reihe geht es nicht um die zum Teil lange in seinem Leben zurückliegenden Geheimnisse des Agenten Ihrer Majestät. „Tenet“ denkt in die andere Richtung, konsequent nach vorn.
„Tenet“ lässt sich nicht viel Zeit mit der Einführung. Überhaupt vergehen die zweieinhalb Stunden wie im Fluge. Der namenlose Protagonist (John David Washington) gerät gleich zu Beginn in eine Operation im Opernhaus von Kiew. Eine Vorstellung wird von Terroristen gestürmt. Der Agent mittendrin.
Er soll einen Mann beschützen, der ein mysteriöses Gerät in seinem Besitz hat. Die Operation geht schief. Der Spion stirbt beinahe. Wacht auf einem Schiff wieder auf, wo ihm von seinem neuen Auftrag berichtet wird. Er bekommt das Code-Wort „Tenet“ mitgeteilt und dass ein eiskalter Krieg drohe, an dessen Ende die Vernichtung der Welt - wie wir sie kennen - stehen könnte. Nur er und Robert Pattinson, der bald zu ihm stößt, können das eventuell verhindern.
Was nun folgt, könnte schnell konventionell werden. Aber der Schöpfer dieser faszinierenden Spionage-Reise ist nun mal Christopher Nolan. Für „Tenet“ entwickelte er ein Konzept, das man nicht einfach so nacherzählen kann. Nolan nimmt die Zuschauer mit auf eine Tour in die Welt der Inversion der Zeit. 
Diesen Film mit seinen absolut verrückten Ideen muss man selbst erleben. Inversion der Zeit bedeutet hier, dass verschiedene Abläufe der Zeit vor- und rückwärts laufen können - zur selben Zeit. Klingt theoretisch? In der Welt von Christopher Nolan wird all das wunderbar plastisch. Wenn der Protagonist zum Beispiel in die Vergangenheit reist und er sich dort gegen die Zeit stemmen muss. Autos fahren rückwärts, Vögel fliegen rückwärts. Er selbst bewegt sich mühsam vorwärts.
Ein völlig neues Seh-Erlebnis, wie es das im Kino noch nicht gegeben hat. Selbst Menschen aus verschiedenen Zeitebenen lässt Nolan vor- und rückwärts miteinander kämpfen. Im Finale stoßen sogar ganze Truppenteile aus verschiedenen Zeitebenen aufeinander. Auch Autos aus verschiedenen Zeitebenen rasen hier auf Autobahnen, dass einem der Mund offen stehen bleibt. Hirnrissig und wundervoll zur selben Zeit.
Wer im Kino gern staunt, ist hier richtig aufgehoben. Nur bitte nicht zwischendurch mal auf die Toilette gehen. Da verliert man sofort den Anschluss. Und ja, auch die vorab bekannt gewordene Szene mit dem in ein Gebäude fahrenden Jumbo ist ein absoluter Hingucker. Nolan greift sie gleich mehrfach - aus verschiedenen Zeit-Blickwinkeln - auf.
Aber das ist nur einer der vielen Höhepunkte in diesem Spektakel, dem - irgendwas zu meckern gibt es ja immer - nur eines fehlt. Die Ungewissheit von „Inception“ in der letzten Szene. Christopher Nolan überschüttet die Zuschauer in dieser schönsten Physikstunde der Filmgeschichte mit vielen Begriffen aus der Welt der Wissenschaft, macht in den Actionszenen scheinbar Unmögliches möglich, sodass ihm am Ende nicht erneut etwas einfiel, über das man jahrelang diskutieren könnte. Den Kreisel hat er dieses Mal konsequenterweise weggelassen. 
 
IDEAL FÜR: Alle Fans von Christopher Nolan, den James-Bond-Filmen, intelligentem Action-Kino. Mit anderen Worten: Wer will diesen Film nicht sehen?

 







Trailer
LÄNGE: 150 min
PRODUKTION: USA / Großbritannien 2020
KINOSTART Ö: 26.08.2020
REGIE:  Christopher Nolan
ALTERSFREIGABE: ab 12


BESETZUNG
John David Washington: Der Protagonist
Robert Pattinson: Neil
Kenneth Branagh: Andrei Sator
Elizabeth Debicki: Kat
Michael Caine: