DIE STORY: Das KZ-Drama „Son of Saul“ spielt in Auschwitz und dreht sich um den jüdischen Gefangenen Saul Ausländer (Géza Röhrig), der als Mitglied eines sogenannten Sonderkommandos Hilfsdienste für die KZ-Wächter leisten muss. Eines Tages sieht er unter den vielen Opfern einen toten Jungen – seinen Sohn? Saul ist von der Idee besessen, dem Knaben eine würdige Beisetzung zu geben.
Es ist der Herbst 1944: Die Rote Armee kommt immer näher; das KZ steht kurz vor der Auflösung. Im allgemeinen Chaos gelingt es Saul, mit anderen Häftlingen zu flüchten. Den Leichnam des Knaben hat er dabei. Doch dann verliert er ihn bei der Durchquerung eines Flusses. Die Flucht der Insassen wurde mittlerweile entdeckt: Die SS macht sich auf die Suche nach den Gefangenen…
DIE STARS: Erst der Große Preis der Jury beim Festival Cannes 2015, dann der Golden Globe und der Oscar für den besten fremdsprachigen Film: Der ungarische Filmemacher László Nemes, der „Son of Saul“ schrieb und inszenierte, hat mit diesem Drama, seinem ersten Spielfilm, tiefen Eindruck in der Filmwelt hinterlassen.
Hauptdarsteller Géza Röhrig, der die Titelrolle des Saul spielt, wuchs bei einer jüdischen Adoptiv-Familie in Budapest auf und konvertierte selbst zum Judentum. Röhrig absolvierte ein Filmstudium bei Regie-Legende Istvan Szabo und war auch als Rockmusiker und Lyriker aktiv. Seit 2000 lebt er in New York.
DIE KRITIK: Regisseur Lászlá Nemes geht in „Son of Saul“ direkt dahin, wo niemand gern hinschaut. Zu den Gaskammern und den Verbrennungsöfen von Auschwitz. Es regt sich Widerstand unter den Häftlingen. Man munkelt von Aufstand. Waffen werden organisiert. Das alltägliche Geschäft jedoch sieht so aus, dass ein Sonderkommando jeden Tag Furchtbares tun muss.
Die jüdischen Männer des Kommandos, gekennzeichnet mit einem großen roten Kreuz auf ihrem Rücken, treiben Neuankömmlinge in einen Duschraum, versprechen ihnen anschließend etwas Ruhe und eine heiße Suppe. In Wahrheit kommen die Menschen qualvoll im Gas um, während die Männer der Sonderkommandos direkt hinter der Tür stehen und dem tausendfachen Sterben zuhören müssen. Im Anschluss müssen sie die Leichen zu den Verbrennungsöfen schaffen.
Mitten in dieser Hölle befindet sich Saul Ausländer. Er versucht, allem Ärger aus dem Weg zu gehen, nirgendwo anzuecken. Bis er eines Tages den Jungen unter den Toten findet, den er als seinen Sohn erkennt. Das weckt in ihm die nötige Portion Courage, um zu rebellieren.
Lászlá Nemes inszeniert die KZ-Hölle in einer unglaublich beeindruckenden Art. „Son of Saul“ ist formal kein klassischer Spielfilm. Nemes wählte ein quadratisches Bildformat, das immer ganz nah an Saul und den anderen Hauptfiguren bleibt. Das Morden und die Qual rundum ist nie zu sehen, aber wie in einem apokalyptischen Hörspiel zu hören.
In diesem Hörspiel kommen immer wieder die unterschiedlichsten Sprachen vor. Befehle werden gebellt (irgendwann klingt die deutsche Sprache nur noch hässlich). Es wird geschlagen und geschossen. Man fühlt sich mittendrin in diesem Wahnsinn, der sich mit Worten so schwer beschreiben lässt. „Son of Saul“ ist ein meisterhafter Film, der sich mühelos in die großen Werke zum Thema Holocaust wie Claude Lanzmanns „Shoah“ einreiht.
IDEAL FÜR: Alle Kinobesucher, die bereit sind, sich mit einem großen Filmkunstwerk über das schlimmste Verbrechen des 20. Jahrhunderts auseinanderzusetzen.