GESAMTEINDRUCK: „Sea Of Shadows“ ist eine spannende, gelegentlich an einen Thriller erinnernde Dokumentation, die am Beispiel von organisierter Kriminalität in Mexiko verdeutlicht, wie schwer es sein kann, Umweltverbrechen zu verhindern.
DIE STORY: Der Film spielt am Golf von Kalifornien in Mexiko. Dort machen illegale Fischer mit riesigen Netzen Jagd auf den seltenen Totoaba-Fisch, dessen Schwimmblase in China als kostbares Wundermittel gilt. Mexikanische Drogenkartelle und chinesische Mafia arbeiten eng zusammen, bedrohen mit den Netzen aber das ganze maritime Leben in der Region – unter anderem den dort heimischen Vaquita, den kleinsten Wal der Welt. Umweltschützer, Wissenschaftler, Journalisten und (recht halbherzig) die mexikanische Armee führen einen fast aussichtslosen Kampf, um den Raubbau an der Natur zu beenden.
DIE STARS: Der Wiener Regisseur Richard Ladkani, der 2017 mit der Elfenbein-Doku „The Ivory Game“ auf die Oscar-Shortlist kam, hat mit „Sea Of Shadows“ erneut einen Film gedreht, der an der Schnittstelle von Naturschutz und organisiertem Verbrechen angesiedelt ist. Die Mexiko-Doku, produziert von Walter Köhler und Wolfgang Knöpfler für die Wiener Terra Mater Factual Studios (Red Bull Media House), gewann im Januar den Publikumspreis beim Sundance Festival in den USA.
Als Executive Producer ist, wie schon bei „The Ivory Game“, Leonardo DiCaprio mit an Bord, der mit seiner Produktionsfirma Appian Way den Anstoß zur Realisierung des Projekts gab.
DIE KRITIK: Die ersten Szenen von „Sea Of Shadows“ erinnern eher an einen Actionthriller als an einen Dokumentarfilm. Eine Kamera-Drohne der Umwelt-Organisation Sea Shepherd fliegt über das nächtliche Meer. Als die Drohne Bilder von illegalen Fischern einfängt, ziehen die Männer unten rasch ihre Netze an Bord und hauen ab. Denn die Sea-Shepherd-Leute haben mittlerweile die mexikanische Marine alarmiert, die mit einem Schnellboot die Verfolgung der Fischer aufnimmt.
Das Bittere an den Bildern im Hollywood-Stil: Die Aufnahmen sind echt. Es geht um die Jagd nach dem „Kokain des Meeres“, wie die für sündteures Geld verkauften Schwimmblasen der Totoaba-Fische genannt werden. Und es geht um zahllose andere Fische, die in den Netzen der Wilderer ums Leben kommen. Der Kampf der Aktivisten gegen die Plünderung des Meeres wirkt wie eine Parabel auf die Anstrengungen, den globalen Klima-Kollaps zu verhindern. Hier wie dort haben die Gegner der Umweltschützer sehr viel Macht.
Zwar schildert „Sea Of Shadows“ eine lokale Geschichte aus einem weit von uns entfernten Teil der Welt, aber durch ihre Allgemeingültigkeit ist diese Story über Profitgier, kriminelle Energie, Korruption und Tierleid weit mehr als eine exotisch angehauchte Tragödie.
Regisseur Richard Ladkani nähert sich seinem Thema von mehreren Seiten. Im emotionalen Zentrum steht natürlich der Tierschutz: Der Film zeigt nicht nur den Kampf gegen die riesigen sogenannten Kiemennetze, die für zahllose Meeresbewohner zur tödlichen Falle werden – es geht sehr wesentlich auch um die verzweifelten Bemühungen, das Überleben der Vaquitas zu sichern. Die Kleinwale, die nur im Golf von Kalifornien leben, sind fast ausgestorben. Die Wilderei nach den Totoabas könnte ihnen endgültig den Rest geben.
Die Kameras laufen aber auch dort, wo es für die Filmemacher gefährlich wird. Im Verein mit dem investigativen Journalisten Carlos Loret de Mola, einem TV-Star in Mexiko, deckt „Sea Of Shadows“ die mafiösen Netzwerke auf, die hinter der Raubfischerei stecken. Die Doku zeigt, dass die Kartelle viele Geschäfte machen können, ohne groß von der Exekutive oder vom Militär behelligt zu werden. Und dort, wo die Marine gegen die Wilderer eingreift, wird sie mit dem handgreiflichen Widerstand vieler Einheimischer konfrontiert: Die Fischer würden ihre Einnahmenquelle verlieren, wenn sie die Jagd nach dem Totoaba aufgeben müssten.
So schildert der handwerklich fulminante Film, der große Spannung mit großem Erkenntnisgewinn für das Publikum verknüpft, eine Geschichte über den Raubbau an der Natur, die wenig Aussichten auf ein Happy End liefert. Allerdings sollte man die Wirkung solcher Dokumentationen nicht unterschätzen: Die Premiere von Richard Ladkanis „The Ivory Game“ hatte 2016 zur Folge, dass China kurz darauf den Elfenbeinhandel verbot. „Sea Of Shadows“ gibt der Meerestragödie aus Mexiko jedenfalls weltweite Aufmerksamkeit: Der Film gilt als potenzieller Kandidat für den kommenden Dokumentar-Oscar.
IDEAL FÜR: Alle Tier- und Umweltfreunde, die packende Dokumentarfilme lieben.