GESAMTEINDRUCK: „Reiss Aus“ ist ein großartiges Road Movie über die Reise eines jungen Paars, das sich auf große Fahrt nach Westafrika begibt. Die Doku bietet mehr Spannung als so manche Hollywood-Großproduktion – weil die Abenteuer echt sind.
DIE STORY: Als Lena und Ulli in Hamburg den Motor ihres alten Land Rover anlassen, haben sie einen Plan. Sie wollen in sechs Monaten bis nach Südafrika fahren. Aus den sechs Monaten werden zwei Jahre, doch ihr angepeiltes Ziel erreichen die beiden nie. Denn unterwegs – in Marokko, in Mauretanien, an der Elfenbeinküste oder in Ghana – gefällt es ihnen viel zu gut, um rasch weiterzufahren. Die Deutschen klinken sich ein ins Leben der Einheimischen und demonstrieren, dass wahres Reisen etwas völlig anderes ist als das Abklappern von Sehenswürdigkeiten. Vor Rückschlägen und Krisen bleiben sie aber nicht verschont.
DIE STARS: Der große Star von „Reiss aus“ ist natürlich der Kontinent Afrika mit seinen atemraubenden Landschaften und seinen (meist) freundlichen Menschen. Die Globetrotter Lena Wendt und Ulli Stirnat haben an den 675 (Dreh-)Tagen ihrer Reise stets die Kamera in Reichweite und lassen so das Material für ein faszinierendes Westafrika-Porträt entstehen. Außer den Menschen und vielen wilden Tieren haben auch zwei Hunde wichtige Hauptrollen im Film.
DIE KRITIK: Einfach mal die Tür hinter sich zuschlagen und voller Neugier hinaus in die Welt fahren. Ohne Zeitlimit, ohne Rückreise-Ticket und ohne Gedanken an die Karriere daheim: Lena Wendt und Ulli Stirnat haben mit ihrer Afrika-Expedition einen Traum verwirklicht, den viele Menschen träumen, doch nur die wenigsten auch ausleben. Und weil die beiden Hamburger nicht nur unerschrockene Globetrotter sind, sondern auch filmisches Talent besitzen (Lena ist ausgebildete TV-Journalistin), gelang es ihnen, mit „Reiss Aus“ eine herausragende Reise-Dokumentation zu schaffen, wie man sie nur selten sieht.
Normalerweise geht’s in Reisefilmen ja darum, die attraktiven oder auch weniger attraktiven Seiten eines Landes ins Blickfeld der Kamera zu rücken. „Reiss aus“ ist anders. Hier schaut man nicht nur aus den Augen der Filmemacher auf die Welt, sondern auch auf die Filmemacher selbst. Auf ihre euphorische Freude und ihr Staunen, aber auch auf ihren Missmut oder ihre Ungeduld, wenn sich die Dinge nicht so entwickeln wie geplant.
Lena und Ulli sind in Personalunion Schöpfer und Hauptdarsteller ihres ganz persönlichen Road Movies, das mit fortlaufender Zeit einen immer tieferen Sog entfacht. Wenn die Reise des Paars nach zwei Jahren und die Filmreise des Publikums nach zwei Stunden endet, dann verspürt man den Abschiedsschmerz der Globetrotter auch im kuscheligen Kinosessel.
Willkommen in Afrika also: Natürlich gibt’s spektakuläre Natur-Aufnahmen sonder Zahl, welche die Magie des Kontinents einfangen: Die schroffen Gebirgszüge, die Wüste, die Urwälder und Küsten. Die Tierwelt ist in allen Facetten, vom Käfer bis zum Elefant, vertreten. Aber am wichtigsten sind die Begegnungen mit den Menschen, die in den landschaftlich so reichen und ökonomisch so armen Staaten ihren persönlichen Weg gehen.
Von Beginn an lässt „Reiss aus“ keinen Zweifel daran, dass das Ausreißen der beiden Protagonisten auch mit Risiken verbunden ist. Wenn eine atemraubend schöne Sahara-Fahrt jäh gestoppt wird, weil die Räder des Land Rovers im Sand durchdrehen, oder wenn ein Regensturm die Straßen zu rabiaten Flüssen macht: Dann stockt einem schon mal der Atem und man bangt mit Lena und Ulli, ob sie aus diesen Wahnsinns-Situationen wieder herausfinden.
Beim Überschreiten von Grenzen kann es ebenfalls brenzlige und/oder kostspielige Situationen geben. Die Begegnung mit Tieren schenkt außer schönen Erlebnissen auch herzzerreißende Momente. Und natürlich machen die Erreger von Tropenkrankheiten vor Globetrottern nicht halt: Manchmal sinkt die Stimmung von Ulli und Lena auf den tiefstmöglichen Tiefpunkt.
Doch immer wieder ist es der Zauber Afrikas und seiner Menschen, der die Reisenden aus der Melancholie herausholt und der sie süchtig macht auf diese schwierige und herausfordernde Art, die Welt zu erkunden. Kleine Probleme (von völlig durchnässter Kleidung bis zum streikenden Auto) sind dazu da, um gelöst zu werden – und sie werden gelöst. Doch die Begegnungen und die Einblicke in diese für Europäer so exotische Welt bringen Erfahrungen, die ein Leben lang gespeichert bleiben.
„Ein Mann muss Wissen mit sich führen, wenn er Wissen nach Hause bringen will“, schrieb der englische Gelehrte Samuel Johnson im 18. Jahrhundert über das Reisen. „Reiss aus“ verdeutlicht auf spielerische Art, was dieser Spruch für die Männer (und Frauen) von heute bedeutet. Schon durch das Zuschauen lernt man eine Menge – wie viel erst könnte man lernen, wenn man selbst mit im Land Rover sitzen würde?
Kurzum: „Reiss aus“ ist eine tolle Afrika-Reportage und zugleich eine verdammt wirksame Quelle zur Erzeugung von Fernweh. Der Film macht Lust, auf eine Art zu reisen, die keine Sicherheit kennt – außer jener, unvergessliche Dinge zu erleben.
IDEAL FÜR: Globetrotter, Afrika-Fans und alle Menschen, die gern reisen.