GESAMTEINDRUCK: Das von Sandra Maischberger produzierte Ehrenmord-Drama „Nur eine Frau“ ist ganz starkes Kino mit einer Botschaft, die in jeden Unterricht gehört: „Niemals den Respekt vergessen!“
DIE STORY: Sie sei „Nur eine Frau“ – das hört die junge Hatun Aynur Sürücü beinahe täglich. Ihre Familie, die vor Jahren aus der Türkei nach Berlin kam, lässt daran keinen Zweifel. Eine Frau gilt in dieser Parallelgesellschaft nur dann etwas, wenn sie Kinder gebärt oder den Haushalt schmeißt. Hatun wird, als sie 15 ist, in die Türkei verheiratet. Ein Jahr später steht sie schwanger wieder vor der elterlichen Haustür. Die Misshandlungen ihres Gatten will sie sich nicht gefallen lassen. Hatun hofft auf Unterstützung. Stattdessen wird sie von ihrer Familie verstoßen. Als sie ihr eigenes Leben zu leben beginnt, fassen ihre Brüder einen schrecklichen Plan.
DIE STARS: Die deutsch-türkische Schauspielerin Almila Bagriacik, die neuerdings im Kieler „Tatort“ ermittelt, hat schon in einigen Filmen ihr ungeheures Talent unter Beweis gestellt, so in „4 Blocks“ oder im NSU-Film „Vergesst mich nicht“. In „Nur eine Frau“ liefert sie ihr bisheriges Meisterstück. Sie spielt die junge Hatun, die von allen nur Aynur („Mondschein“) genannt wird, mit einer unglaublichen Leidenschaft. Und zugleich spricht sie den ganzen Film über aus dem Grab zu uns Zuschauern. So etwas geht schnell mal schief. Hier hingegen verwächst sich alles zu einer kraftvollen poetischen Einheit.
DIE KRITIK: Die ersten Minuten von „Nur eine Frau“ verstören. Dass Menschen im Kino über sich selbst erzählen, dass sie aus dem „Off“ zu hören sind, das geschieht häufig. Sehr oft ohne Grund und es wirkt deshalb manchmal ideenlos und aufgesetzt. Dass sich aber jemand aus dem Grab beim Zuschauer meldet, passiert extrem selten.
„Das bin ich. Mein Bruder hat mich erschossen im Februar 2005. Ich war der erste Ehrenmord, der erste, der so richtig fett Presse hatte. Vielleicht erinnert ihr euch. Vielleicht denkt Ihr auch: Kann die nicht einfach tot bleiben?“ Das sind die ersten Sätze im neuen Film von Sherry Hormann („Wüstenblume“). Sätze wie Fausthiebe. Und vom Ton her wird sich das über die gesamte Lauflänge des Films nicht ändern. Da hat jemand etwas zu sagen. Und wir sollten gefälligst zuhören.
„Nur eine Frau“ funktioniert auf mehreren Ebenen ganz hervorragend. Als Familiendrama. Immer wieder versucht Aynur, zu ihrer verbohrten türkischen Familie mit den mittelalterlichen Ansichten Kontakt aufzunehmen. Immer wieder scheitert sie. Darüber hinaus erzählt der Film auch die Liebesgeschichte einer jungen Frau, die das Leben über alles liebt und einfach frei sein möchte. Und obendrein ist die Tragödie eine bittere Anklage gegen die deutsche Gesellschaft, die es im Laufe der letzten Jahrzehnte nicht geschafft hat, Parallelgesellschaften zu verhindern.
Die Journalistin und TV-Moderatorin Sandra Maischberger, die viele aus dem Fernsehen kennen, produziert seit mehr als 20 Jahren Filme. Bisher war sie im TV-Bereich tätig. Nun wagt sie sich mit diesem enorm wichtigen Film zum ersten Mal auf die große Leinwand. Und man kann sehr gut verstehen, was sie an diesem Projekt gereizt hat. Die Geschichte – die sich wirklich so ereignet hat – macht wütend, wird überall auf der Welt verstanden. Und im besten Fall fragt man sich nach diesem Film, wer so in der Nachbarschaft lebt und ob man nicht viel häufiger das Gespräch suchen sollte.
IDEAL FÜR: Menschen, die sich im Kino nicht nur berieseln lassen wollen, sondern lieber dem echten – und oft ungerechten – Leben zuschauen.