GESAMTEINDRUCK: Das französische Drama „Mein Leben mit Amanda“ ist ein gefühlvoller, brillant gespielter Film über einen Mittzwanziger und seine siebenjährige Nichte, die nach dem plötzlichen Tod ihrer wichtigsten Bezugsperson ihr Leben völlig neu ordnen müssen.
DIE STORY: David (Vincent Lacoste), ein etwas chaotischer, aber sympathischer junger Mann, genießt sein Junggesellenleben. Doch dann ändert sich von einer Sekunde auf die andere alles: Seine Schwester Sandrine (Ophélia Kolb) wird bei einem Terroranschlag erschossen und David soll sich fortan um deren kleine Tochter Amanda (Isaure Multrier) kümmern. Tapfer stellt er sich der Herausforderung, wird aber immer wieder von seiner Trauer eingeholt.
DIE STARS: Vincent Lacoste, der famos die Wandlung vom sorglosen Mittzwanziger zum Vaterersatz vollzieht, wurde für sein Debüt „Jungs bleiben Jungs“ (2009) mit dem französischen César als Bester Nachwuchsdarsteller ausgezeichnet. Seither war er unter anderem in „Asterix & Obelix – Im Auftrag ihrer Majestät“ (2012) und der Komödie „Lolo – Drei ist einer zu viel“ (2016) zu sehen.
Seine Film-Nichte Isaure Multrier entpuppte sich als wahres Naturtalent. Obwohl „Mein Leben mit Amanda“ ihr erster Film ist, bewegt sie sich vor der Kamera schon wie ein alter Hase. Weitere Rollenangebote dürften nicht lange auf sich warten lassen.
Regisseur Mikhaël Hers landete 2015 mit „Dieses Sommergefühl“ seinen ersten Kritikerhit, in dem er sich ebenfalls mit Tod und Trauer auseinandersetzte.
DIE KRITIK: Es beginnt alles wie eine leichte, unbekümmerte Sommerkomödie: David (Vincent Lacoste) und seine Schwester Sandrine (Ophélia Kolb) scherzen über missglückte Dates und darüber, warum es mit der Liebe einfach nicht klappen will. Während sie immer wieder an verheiratete Männer gerät, hat er gerade ein Auge auf seinen neuesten Airbnb-Gast Léna (Stacy Martin) geworfen. Mit der Besucherin ist bislang allerdings nichts gelaufen. Die Stimmung ist gut, selbst wenn Sandrine ihrem Bruder den Kopf wäscht, weil er mal wieder zu spät vor der Schule ihrer siebenjährigen Tochter Amanda (Isaure Multrier) aufgetaucht ist. In ein paar Wochen wollen alle drei gemeinsam zu einem Tennismatch nach London.
Doch dazu kommt es nicht mehr. Denn auf eine halbe Stunde unbekümmerte Leichtigkeit, unterstrichen von fröhlicher Musik und schönen Paris-Bildern, folgt die Katastrophe: Sandrine, die mit ihren Freunden bei einem Picknick ihre bestandene Führerscheinprüfung feiern will, gerät mitten in einen (fiktiven) Terroranschlag. Als Daniel im Park ankommt, ist seine Schwester bereits tot. Und da sich ihr Ex schon vor Jahren aus dem Staub gemacht hat, muss Daniel Amanda nicht nur beibringen, dass ihre Mutter nie wieder heimkommt, sondern wird, selbst gerade einmal 24 Jahre alt, über Nacht auch noch zu einer Art Ersatzvater.
Die dramatischen Ereignisse in „Mein Leben mit Amanda“ hätten das Potential zu einer pathetischen, effektheischenden Tränendrüsengeschichte gehabt. Doch glücklicherweise hat Regisseur Mikhaël Hers, wie schon in seinem thematisch ähnlichen Film „Dieses Sommergefühl“, genau das Gegenteil daraus gemacht: Er zeigt behutsam und unaufgeregt, wie unterschiedlich Menschen mit Verlust, Trauer und Traumata umgehen.
Während David Amanda zuliebe anfangs fast wie ein Roboter funktioniert, wird er im Laufe der Zeit immer mehr von seinen Gefühlen übermannt. Gleichzeitig wächst er jedoch angesichts seiner neuen Aufgabe über sich selbst hinaus. Amanda, von Schauspielneuling Isaure Multrier absolut authentisch gespielt, reagiert erst mit Bockigkeit, gewinnt dann aber schneller als David ihre Lebenslust zurück. Und Léna, ja, auch die taucht wieder auf, kämpft sich nach dem Nahtod-Erlebnis (sie hat den Anschlag schwer traumatisiert überlebt) zaghaft in ihr Leben zurück – auch wenn sie selbst ein simpler Knallfrosch in Angst und Panik versetzt.
Bei all dem bewahrt sich der Film stets eine gewisse optimistische Leichtigkeit und zeigt, dass das Leben auch nach einem so schweren Schicksalsschlag wie diesem weitergehen muss – und kann.
IDEAL FÜR: Fans von (französischem) Gefühlskino.