GESAMTEINDRUCK: „Lady Bird“ ist ein erfrischend sympathischer Film von Greta Gerwig übers Erwachsenwerden, der mit Saoirse Ronan und Laurie Metcalf als herrlich gegensätzlichem Tochter-Mutter-Gespann glänzt.
DIE STORY: Die 17-jährige Christine (Saoirse Ronan) hat ihre katholische Schule und das provinzhafte Sacramento satt. Sie träumt vom Kunststudium in New York. Ihre Mutter Marion (Laurie Metcalf) hält von den hochtrabenden Plänen wenig. Ist das Geld zuhause doch jetzt schon knapp. Wenig überraschend deshalb, dass es zwischen den beiden ständig kracht. Ablenkung vom Familienstress findet Christine, die sich selbst Lady Bird getauft hat, in Form zweier Highschool-Feschaks, die ihr ordentlich den Kopf verdrehen.
DIE STARS: Hauptdarstellerin Saoirse Ronan, 24 Jahre jung, gewann mit „Lady Bird“ ihren ersten Golden Globe und sicherte sich ihre dritte Oscar-Nominierung (nach „Brooklyn“ und „Atonement“). Laurie Metcalf (spielt ihre Film-Mutter) schaffte es zum ersten Mal auf die Nominierten-Liste. Indie-Star Greta Gerwig, die ihr Regiedebüt gibt und auch das Drehbuch schrieb (dafür bekam sie zwei Oscar-Nominierungen), war wie Christine/Lady Bird ein rebellischer Teenager in Sacramento, bestreitet aber, dass der Film autobiographisch ist.
DIE KRITK: Ein paar Gemeinsamkeiten haben sie ja doch. In der Anfangssequenz des Films lauschen Lady Bird und ihre Mutter im Auto gebannt John Steinbecks „Früchten des Zorns“. Doch kaum ist das Hörbuch zu Ende, ist es auch mit der trauten Eintracht vorbei.
Denn Marion macht keinen Hehl daraus, dass sie die Träume ihrer Tochter für Luftschlösser hält. Sie sieht Lady Bird eher an der örtlichen Supermarktkassa sitzen als sich an der Elite-Uni künstlerisch verwirklichen – wenn sie nicht überhaupt im Knast landet.
Die Tochter jedoch lässt sich von den Sticheleien der Mutter nicht beeindrucken. Ganz Teenie-Rebellin, bewirbt sie sich ohne deren Wissen an ihrer Traum-Uni, versucht sich in der Schultheatergruppe. Sie will auf eigenen Beinen stehen, ihre Ziele verwirklichen, auch wenn sie selbst noch nicht so genau weiß, wie das funktionieren soll. Dass sie dabei des Öfteren auf die Nase fliegt – und sich nebenbei ständig in die falschen Typen verliebt – macht sie nur noch liebenswerter.
Lady Bird ist nicht perfekt. Und oft auch nicht so selbstbewusst, wie sie es gerne wäre. Dafür ist sie aber in allen Lebens- und Gefühlslagen zu hundert Prozent echt. Man kann nicht anders, als Lady Bird, exzellent verkörpert von Saoirse Ronan, ins Herz zu schließen. Und ihr auf ihrer ständigen Gefühlsachterbahn zuzuschauen, ist gleichzeitig ein bisschen, wie sich selbst in die eigene Teenagerzeit zurückzubeamen.
Der ständige Machtkampf mit der Mutter – große Teenie-Träume krachen hier auf (zu) abgeklärte Erwachsenen-Ansichten – hat eigentlich schon einen langen Bart, kommt im Film aber erfreulich erfrischend und klischeefrei daher. Saoirse Ronan und Laurie Metcalf harmonieren perfekt als völlig gegensätzliches Mutter-Tochter-Gespann, spielen sich gekonnt die (für Außenstehende amüsanten) verbalen Bälle zu.
Dass Autorin/Regisseurin Greta Gerwig in „Lady Bird“, wie sie selbst sagt, nichts autobiografisches hineinverpackt hat, ist angesichts ihres eigenen Backgrounds (in Sacramento aufgewachsen, liberale Künstlerin, die Mutter Krankenschwester, das Familienbudget chronisch schmal) nur schwer zu glauben. Vielmehr wirkt der Film wie eine Liebeserklärung an ihre Heimat und ein amüsanter Rückblick auf ihre Teenagertage. Autobiografisch oder nicht, hat Gerwig in jedem Fall einen modernen, unterhaltsamen und äußerst liebenswerten Film gedreht, für den sie sich durchaus den Oscar verdient gehabt hätte.
IDEAL FÜR: alle, die gut gemachte Coming-Of-Age-Filme schätzen, Saoirse Ronan mögen oder als Teenager selbst kleine Rebellen waren oder gern gewesen wären.