Kindeswohl

Doppeltes Drama für Emma Thompson


FilmClicks:
Emma Thompson zeigt in „Kindeswohl“ zwei Gesichter: Als souveräne Richterin und Ehefrau in der Krise © Concorde
GESAMTEINDRUCK: „Kindeswohl“ ist ein Justizdrama und zugleich ein vielschichtiges Portrait einer Familienrichterin, das mit einer großartigen Emma Thompson punktet, sich aber bisweilen in seinen unterschiedlichen Erzählsträngen verliert.
 
DIE STORY: Die Londoner Richterin Fiona Maye (Emma Thompson) steht in „Kindeswohl“ vor einem brisanten Fall: Der 17-jährige Adam (Fionn Whitehead) leidet an Leukämie und benötigt dringend eine lebensrettende Bluttransfusion. Doch als Zeugen Jehovas lehnen er und seine Eltern diese strikt ab. Während Maye mit der Entscheidung ringt, ob sie die Behandlung gegen Adams Willen anordnen soll, eröffnet ihr ihr Ehemann (Stanley Tucci), dass er mit einer anderen Frau schlafen will.
 
Was ist wichtiger? Heilung oder Glaube? Emma Thompson & Fionn Whitehead © Concorde

DIE STARS: Hauptdarstellerin Emma Thompson, die Fiona Maye famos als Richterin und Ehefrau verkörpert, ist zweifache Oscar-Preisträgerin („Wiedersehen in Howards End“, „Sinn und Sinnlichkeit“). Nach „Kindeswohl“ wird sie im Oktober an der Seite von „Mr. Bean“ Rowan Atkinson in der skurrilen Komödie „Johnny English 3“ zu sehen aein.
Thompsons Film-Ehemann, der New Yorker Stanley Tucci, hat für „Winchell“ und „Die Wannseekonferenz“ jeweils einen Golden Globe abgeräumt und spielt im Dezember im Horrorstreifen „The Silence“.
Der junge Fionn Whitehead trat zuletzt in Christopher Nolans Kriegsfilm „Dunkirk“ auf.
Regisseur Richard Eyre war im Theater Zuhause, bevor er ins TV-Fach wechselte. Mit „Iris“ und „Tagebuch eines Skandals“ hat er sich inzwischen auch in Hollywood einen Namen gemacht.
 
Ihre Ehe ist in Gefahr: Emma Thompson und Stanley Tucci © Concorde

DIE KRITK: Darf ein Jugendlicher gegen seinen Willen medizinisch behandelt werden? Seit 1989 regelt der „Children Act“ in Großbritannien, dass das Wohl des Minderjährigem über allem steht – und lebensrettende Maßnahmen auch gesetzt werden müssen, wenn der Betroffene dagegen ist.
Dass die Lage in der Praxis dann dennoch nicht ganz so eindeutig ist, führt uns Emma Thompson in der Kinoadaption von Ian McEwans Roman „Kindeswohl“ vor Augen. Als Richterin Fiona Maye hin- und hergerissen zwischen dem krebskranken Adam (Fionn Whitehead), der als Zeuge Jehovas lieber sterben als eine Bluttransfusion annehmen möchte, und den Ärzten, die es als ihre Pflicht ansehen, den Teenager zu retten, gerät sie immer mehr in Gewissensnöte. Richtig kompliziert wird es, als Patient und Richterin sich kennenlernen und Adam die Juristin plötzlich auf Schritt und Tritt verfolgt.
„Kindeswohl“ startet als kühles, brisantes Justizdrama, dessen Ausgangsplot allein schon genug Stoff für 90 Filmminuten böte. Doch nach dem ersten Filmdrittel tritt Adams Geschichte in den Hinter- und die private Seite der Richterin immer mehr in den Vordergrund: Maye steht vor den Trümmern ihrer Ehe.
Zwar liebt ihr Mann Jack (Stanley Tucci) sie immer noch, doch er will nicht länger hinter ihrem Job die zweite Geige spielen. Nach elf Monaten ohne Sex denkt er laut über eine Affäre nach. Und Fiona Maye wandelt sich auf der Leinwand von der taffen Richterin zur zerbrechlichen Ehefrau.  
Emma Thompson brilliert in beiden Lebenslagen – und beweist überzeugend, dass Richter eben auch nur Menschen sind. Dennoch ist die Vielschichtigkeit ihrer Rolle – und der ganzen Geschichte – gleichzeitig auch das größte Manko des Films. Wer vom Titel („Children’s Act“ im Englischen) auf ein tiefgründiges Justizdrama schließt, wird in die Irre geführt.
Denn die Entscheidung, was mit dem krebskranken Teenager passiert, wird im Schnelldurchlauf gefällt. Wie Adam dazu steht und warum er und seine Eltern trotz vieler Zweifel weiter an den Denkweisen der Zeugen Jehovas festhalten, bleibt fast vollständig ausgeklammert.
Fast hat man das Gefühl, man würde zwei unterschiedliche Filme sehen: Erst den Justizthriller, dann Mayes privates Familiendrama. Beide Teile sind zwar in sich gelungen, wollen aber oft nicht so richtig zusammenpassen. Dem kongenialen Hauptdarsteller-Duo Thompson und Tucci ist es zu verdanken, dass sich die Klammer am Ende dennoch schließt – trotz der teils etwas holprigen Erzählweise.
 
IDEAL FÜR: Fans von britischen Filmen und von Emma Thompson.
 
 






Trailer
LÄNGE: 105 min
PRODUKTION: Großbritannien 2017
KINOSTART Ö: 31.08.2018
REGIE:  Richard Eyre
GENRE: Drama
ALTERSFREIGABE: ab 16


BESETZUNG
Emma Thompson: Fiona Maye
Stanley Tucci: Jack Maye
Fionn Whitehead: Adam Henry