DIE STORY: „Interstellar“, der neue Film von Christopher Nolan („The Dark Knight“), erzählt von der größten Reise, die jemals im Kino unternommen wurde.
Das Szenario: Unsere gute alte Erde in naher Zukunft. Alle Ressourcen sind erschöpft. Es wächst kaum noch etwas. Die Menschheit muss ihr Heil irgendwo da draußen im Weltall suchen. Eine Mannschaft wird losgeschickt, durch ein sogenanntes Wurmloch in die unendlichen Weiten des Universums zu fliegen und nach bewohnbaren Alternativen für die Erde zu suchen.
DIE STARS: Der Film bietet jede Menge Stars auf. In Anbetracht der nicht mehr so fernen Jahresend-Feiertage könnte man sagen, „Interstellar“ ist mit großen Namen vollgestopft wie eine Martins- oder Weihnachtsgans. Matthew McConaughey spielt die Hauptrolle, Anne Hathaway und Jessica Chastain sind die Frauen an seiner Seite. Des weiteren begegnen wir Michael Caine, Casey Affleck und John Lithgow in kleineren Rollen. Bis hin zu Matt Damon und Ellen Burstyn in Kleinst-Auftritten.
DIE KRITIK: Der Autor/Regisseur Christopher Nolan hat etwas Seltenes. Etwas, das in seinem Beruf eigentlich dazugehört, aber nur noch selten anzutreffen ist. Etwas, das man für kein Geld der Welt kaufen kann: Visionen.
Seine bisherigen Werke - von „Memento“ (nach wie vor sein bester) über „Inception“ und „The Prestige“ bis hin zu seiner „Batman“-Trilogie - hatten alle das gewisse Etwas, die kleinen Momente, die einen Film erst zu einem Erlebnis und später unvergesslich machen.
Doch jetzt ist Christopher Nolan zum ersten Mal in seiner Karriere dort gelandet, wo so viele seiner Kollegen sich regelmäßig wiederfinden. Der laut Verleih „mysteriöseste Film des Jahres“ ist ein Rohrkrepierer geworden. Zwar auf sehr hoher Ebene gescheitert. Aber eben doch gescheitert.
Nolan nimmt den Kinogänger wieder mit auf eine rätselhafte Reise. Dieses Mal steht Matthew McConaughey im Mittelpunkt. Der Oscar-Preisträger („Dallas Buyers Club“), er leidet wieder einmal unter grausamem Overacting, spielt einen Farmer namens Cooper. Der hasst seinen Job genau so, wie er seinen früheren Beruf liebte. Einst war er als Astronaut vorgesehen, um die Weiten des Alls zu untersuchen.
Aber dann gab es erst einen Unfall und später kam die große Dürre über die Welt. Oberste Priorität auf der Erde hatte nun das Überleben. Himmelsforschung galt als Luxus und wurde eingestellt. Dachte Cooper lange Jahre. Aber dann führt ihn ein Zufall zur NASA, die mittlerweile im Verborgenen arbeiten muss.
Einer ihrer Chefs ist Professor Brand (Michael Caine in einer liebenswürdigen Seniorenrolle - mit einem Twist), der Cooper ruckzuck davon überzeugt, gemeinsam mit seiner Tochter (Anne Hathaway), zwei weiteren Wissenschaftlern und Robotern eine Rakete zu besteigen und in Richtung Saturn zu fliegen. Denn dort wurde vor beinahe 50 Jahren ein Wurmloch entdeckt, das den Menschen nun helfen soll, eine neue Heimat zu finden.
Hinter dem Wurmloch – angekommen in einer anderen Galaxie – stellt sich den Raumfahrern die Frage, welchen der drei erdähnlichen Planeten sie anfliegen sollen. Es werden reichlich Konflikte aufgetürmt. Zumal dort draußen die Zeit langsamer vergeht, so dass Cooper - in Videobotschaften - mit ansehen muss, wie seine beim Abflug minderjährige Tochter zur Frau heranreift (Jessica Chastain wie immer großartig) und den Glauben verliert, dass ihr Vater je wieder zurückkehren wird.
Welche Lösung und welchen Rückweg Cooper findet, hätte zu den wunderbarsten Momenten der Kinogeschichte gehören können. Es gibt einige hinreißend gefilmte Szenen. Eine Tsunami-Welle auf einem fremden Planeten oder einen Raum jenseits unserer zeitlichen Vorstellung, in dem man verlorenen Menschen wieder nahe sein kann.
Aber Nolan tappt hier leider in eine Falle, der sich sein großes Vorbild Stanley Kubrick stets geschickt zu entziehen verstand. Warum schauen wir denn „2001“, vor dem sich „Interstellar“ überdeutlich verbeugt, immer wieder gern an? Weil der Film auch mehr als 40 Jahre nach seiner ersten Aufführung immer noch Fragen aufwirft.
Nolan hingegen macht das, was einem jeder Berater in Hollywood rät, leider aber der künstlerische Stillstand ist: Er erklärt alles und jedes. Noch die letzte Botschaft muss an den Kinogänger gebracht und ihm erläutert werden. Für Fantasie bleibt dieses Mal in Christopher Nolans Welt kein Platz – jede Vision zu Tode gequatscht.
Und obendrauf, als ärgerliches Plus sozusagen: Soundtrack-Komponist Hans Zimmer ist auf die Idee gekommen, sich bei Philip Glass und seiner Minimal Music zu bedienen. Mehr als einmal hat mal als Zuschauer den Wiedererkennungseffekt, die Klänge schon einmal bei „Koyaannisqatsi“ gehört zu haben.
Nach überlangen, zum Teil überwältigend schön gefilmten 169 Minuten tritt zum ersten Mal bei Christopher Nolan das Gefühl auf: Zum Glück ist dieser Film vorbei. Und: Hoffentlich ist „Interstellar“ nur ein Ausrutscher, wie er jedem großen Regisseur einmal unterlaufen darf.
IDEAL FÜR: Kinogänger, die Bombast und Kitsch auf der Leinwand mögen und gern jeden Film bis ins kleinste Detail erklärt bekommen.