Fritzi – Eine Wendewundergeschichte

Bilder einer friedlichen Revolution


FilmClicks:
Mit ihnen fängt die Geschichte an: Fritzi und der Hund Sputnik im Wendejahr 1989 in Leipzig © Polyfilm
GESAMTEINDRUCK: Der Animationsfilm „Fritzi – Eine Wendewundergeschichte“ ist eine phantasievolle Reise zurück in den Herbst der Wende 1989 nach Leipzig.
 
DIE STORY: Die 12jährige Fritzi aus Leipzig passt während der Sommerferien 1989 auf Sputnik auf, den Hund ihrer besten Freundin Sophie. Als Sophie am ersten Schultag noch nicht aus dem Urlaub  zurück ist, ahnt Fritzi: Ihre Freundin ist mit ihrer Mutter aus der DDR über Ungarn und Österreich nach Westdeutschland  abgehauen. Da Sophie nun aber ihren Sputnik  vermisst, will Fritzi den Hund über die Grenze schmuggeln. Was natürlich schief geht. Aber Fritzi merkt mehr und mehr, in was für einem Staat des Einsperrens und Überwachens sie in der DDR lebt. Und irgendwann geht auch sie mit Hund und vielen Tausenden in Leipzig auf die Straße. 

Montagsdemonstration in Leipzig: Die Bürger artikulierten ihren Freiheitswunsch © Polyfilm

DIE STARS: Am eindrucksvollsten an diesem Animationsfilm sind ganz eindeutig die historischen Bilder von Leipzig. Während man bei den Personen deutlich sieht, dass die Animateure hier nicht mit dem ganz großen Budget arbeiten konnten, sind die Stadtansichten extrem atmosphärisch geraten. Wer Leipzig von früher kennt, kann all die abgerockten Ecken – kein Wunder nach 40 Jahren sozialistischer Mangelwirtschaft – und den Dauersmog in der Stadt wiedererkennen. Wer es zum ersten Mal sieht und an Übertreibung glaubt: Nein, es war wirklich so. Die Stadt stand kurz vorm Zusammenfall. 

Der Film zeigt, wie nahe am Verfall die Gebäude von Leipzig waren © Polyfilm

DIE KRITIK: „Fritzi – Eine Wendewundergeschichte“ macht etwas, das es so in den vergangenen Jahren noch nicht gegeben hat. Hier wird vom stürmischen Herbst der DDR im Jahr 1989 konsequent aus der Sicht eines Kindes erzählt. Gewiss, Filme über die friedliche Revolution gibt es reichlich. Exzellente wie „Nikolaikirche“, die man heute kaum noch kennt. Und dann natürlich extrem erfolgreiche wie „Das Leben der Anderen“, die aber eher ein Disney-DDR-Bild präsentieren. Doch all das wurde aus dem Blickwinkel der Erwachsenen geschildert. „Fritzi“ ändert nun die Perspektive.
Die Titelheldin Fritzi ist zu Beginn des mit knapp 90 Minuten angenehm kurzen Films ein ganz normales Mädchen in der DDR. Ihr idyllisches Baumhaus in einem Hinterhof von Leipzig könnte genauso gut von Pippi Langstrumpf bewohnt sein. Wären da nicht die besonderen Umstände.
Das merkt man als Zuschauer gleich in den ersten Szenen, wenn sich Fritzi mit ihrer Freundin Sophie darüber unterhält, ob es im Westen wirklich so schlimm ist, wie man im Fernsehen der DDR immer berichtet. Und ob Coca Cola so toll schmeckt wie alle sagen, die sie schon mal probieren konnten. Es ist eine fremde untergegangene Welt, in die hier mit viel Feingefühl geblickt wird.
Richtig abstrus wird  es, wenn die Regisseure Ralf Kukula und Matthias Bruhn vom Alltag in der Schule berichten. Da beginnt ein neues Schuljahr mit einem Fahnenappell. Der Unterricht startet mit dem Gruß der Pioniere „Seid bereit! Immer bereit!“ Und die Lehrerin gießt so viele Worthülsen über der Klasse aus, dass man sich mittendrin in der Drehbuch-Klischee-Hölle glaubt. Aber genau so war es in den Schulen der DDR. Denken war verpönt. Man sollte lernen, zu funktionieren und zu gehorchen. 
In ihrem Klassenraum erlebt denn Fritzi auch ihre erste Anwandlung von Revolution in sich. Als die Lehrerin meint, am gestrigen Montag wären Rowdys auf den Leipziger Straßen unterwegs gewesen, widerspricht Fritzi. Denn sie war mit an der Thomaskirche, hat die Stasi bei der Arbeit beobachtet (der DDR-Geheimdienst gerät etwas sehr schablonenartig) und ist dann den Menschen auf die Straße gefolgt.
Am Ende – nach einigen verzichtbaren Szenen an der deutsch-deutschen Grenze – ist es Fritzi, die ihre Mutter zu überzeugen versucht, an einem Montag demonstrieren zu gehen. Auch wenn sicher damals nur wenige Familien auf Anraten ihrer 12-jährigen Töchter bei den Montags-Demos auf dem Leipziger Ring unterwegs waren, ist es doch ein schönes erzählerisches Zeichen, dass gerade die jungen Leute genug vom sozialistischen Experiment hatten. 
 
IDEAL FÜR: Trickfilm-Fans, die gut gemachte Zeitreisen mögen. 
 






Trailer
LÄNGE: 87 min
PRODUKTION: Deutschland / Belgien / Luxemburg / Tschechien 2019
KINOSTART Ö: 11.10.2019
REGIE:  Ralf Kukula, Matthias Bruhn
GENRE: Animation
ALTERSFREIGABE: ab 8