GESAMTEINDRUCK: „Das zweite Leben des Monsieur Alain“ ist eine Tragikomödie über Karrieristen, Schicksalsschläge und den Sinn des Lebens, die mit einem großartigen Hauptdarsteller-Duo aufwartet, vergleichbaren Kinohits wie „Ziemlich beste Freunde“ aber nicht das Wasser reichen kann.
DIE STORY: Der französische Topmanager Alain Wapler (Fabrice Luchini) ist ein Workaholic par excellence – bis ihn ein Schlaganfall völlig aus der Bahn wirft. Einst für seine brillanten Reden bekannt, scheitert er plötzlich daran, auch nur die einfachsten Sätze zu formulieren. Doch aufgeben ist für den Geschäftsmann keine Option. Gemeinsam mit der Logopädin Jeanne (Leïla Bekhti) kämpft er um sein berufliches Comeback – ein langer Weg mit ungewissem Ausgang.
DIE STARS: Fabrice Luchini, Exfriseur und Einwandererkind aus Frankreich, ist nicht nur Hauptdarsteller, sondern auch das absolute Highlight des Films. In seiner Heimat ein gefeierter Theater- und Kinostar, wurde er 1995 an der Seite von Gerard Depardieu mit „Die Auferstehung des Colonel Chabert“ auch über die Grenzen hinaus bekannt. Das Talent liegt in der Familie: Tochter Emma ist Regisseurin.
Luchinis rechte Hand im Film, die nicht minder sehenswerte Leïla Bekhti, spielte in mehreren französischen TV-Serienhits, bevor sie beim Film landete. 2011 gewann sie mit dem Spielfilm „Tout ce qui brille“ einen César als Beste Nachwuchsschauspielerin. Seither wechselt sie erfolgreich zwischen TV und Kinofilm hin und her.
DIE KRITIK: Weckruf mit den Wirtschaftsnachrichten um 5.50 Uhr, Marathonsitzungen im Büro, Vorträge an der Uni, wie man es im Leben zu Millionen bringt. Alain Wapler (Fabrice Luchini), ein fiktiver Firmenchef, dessen Biografie aber lose an jene des Peugeot- und Airbus-Chefs Christian Streiff angelehnt ist, predigt nicht nur den Lifestyle des knallharten Karrieristen, er verkörpert ihn auch durch und durch.
Sein ganzes Leben dreht sich um Macht, um Geld und Profitkurven, selbst wenn deshalb vieles auf der Strecke bleibt. Seine eigene Tochter etwa, die mitten in ein Meeting platzt, weil sie Alain in der gemeinsamen Wohnung „seit 14 Tagen nicht gesehen hat“. Doch als der Workaholic im Büro (wo auch sonst?) zusammenbricht, ändert sich mit einem Schlag alles: Aus dem selbstbewusste Mann im Anzug wird ein gebrechlicher älterer Herr, der nur mit Mühe kommunizieren kann und sich selbst in seiner eigenen Wohnung nicht mehr zurechtfindet.
Das einzige, was geblieben ist, sind sein Ehrgeiz und sein Kampfgeist. Die Logopädin Jeanne (Leïla Bekhti), die er anfangs nur wütend anblafft, weil sie ihm keine Sonderbehandlung zugesteht, wird bald zu seiner engsten Verbündeten. Und während Alain sich Schritt für Schritt ein Stück in sein früheres Leben zurückkämpft – und sich dabei immer mehr zum Sympathieträger entwickelt – laufen die beiden schauspielerisch zur Höchstform auf.
Sie beweisen, was mit Willenskraft alles möglich ist – aber auch, dass selbst diese oft keine Wunder bewirken kann. Alains Kampfgeist ist bewundernswert, seine unfreiwilligen Wortspiele bisweilen ziemlich komisch, auch wenn einem gleichzeitig oft das Lachen im Hals stecken bleibt. Schließlich versucht Alain nicht bewusst, witzig zu sein, sondern wird schlicht immer wieder von seinem Handicap eingeholt.
Soviel Potential „Das zweite Leben des Monsieur Alain“ am Anfang erkennen lässt, offenbart der Film vor allem in der zweiten Hälfte Schwächen: Spätestens wenn Alains Pfleger mit ihm im Rollstuhl durch die Spitalgänge saust, wird klar, dass Regisseur Hervé Mimran von „Ziemlich beste Freunde“ abgekupfert hat. Keine gute Idee, denn an den Charme und Witz des Megahits kommt sein Film nicht heran.
Auch die etwas seltsam anmutende Liebelei zwischen Alains Logopädin und dem Pfleger Vincent hätte man sich getrost schenken können (welche Frau würde ernsthaft einen Mann daten, der mit seinem Skateboard spricht?). Und dann ist da noch die Sache mit dem Jakobsweg, die nicht nur unnötig kitschig umgesetzt ist, sondern auch noch ziemlich unrealistisch wirkt. Gut, Wandern gilt bekanntlich seit Jahren als hippes Wundermittel gegen Lebenskrisen aller Art. Dass aber ausgerechnet der ehrgeizige Alain plötzlich eine unbändige Pilgerlust verspürt, scheint dann doch schon etwas sehr weit hergeholt.
IDEAL FÜR: Fans von französischen Filmen und von Fabrice Luchini.