DIE STORY: Im Zentrum des Dramas „Caracas, eine Liebe“ steht Armando (Alfredo Castro), ein gut situierter Herr in mittleren Jahren. Er vertreibt sich die Zeit damit, jungen Männern auf den Straßen von Caracas nachzustellen, die dort abhängen, weil ihnen das Leben keine Perspektiven mehr bietet.
Alles, was sie haben, ist ihr Körper, den sie Fremden wie Armando offerieren. Er bezahlt die Stricher für Sex in seiner Wohnung, um sein größtes Defizit zu überwinden: Armando kann Nähe jeder Art nicht ausstehen.
Als ihn der junge Elder (Luis Silva) nach dem Sex ausraubt, spornt das Armando geradezu an, Elder weiterhin zu treffen. Er macht den Wohnort des Jungen ausfindig, sucht ihn auf, und treibt die nunmehr entstehende Beziehung zu immer neuen Extremen.
DIE STARS: „Caracas, eine Liebe“ wurde im September 2015 beim Filmfestival Venedig mit dem Goldenen Löwen ausgezeichnet - völlig überraschend allerdings, weil diesen kleinen Film aus Venezuela, in dem sowohl die Darsteller als auch der Regisseur relativ unbekannt sind, niemand auf der Rechnung hatte.
Jetzt kennt man Lorenzo Vigas, der „Caracas“ inszenierte, in der Arthaus-Welt ziemlich gut: Immerhin ist er nun der erste südamerikanische Filmkünstler, der einen Goldenen Löwen gewann, noch dazu mit seinem Erstlingsfilm, gedreht in seiner Heimat Venezuela, von wo es zuvor noch nie ein Film in den Wettbewerb von Venedig geschafft hatte.
Das Drehbuch basiert übrigens auf einer Story von Guillermo Arriaga, dem Autor von Welterfolgen wie „Babel“ und „21 Gramm“.
DIE KRITIK: „Caracas, eine Liebe“ ist eigentlich kein Schwulendrama, versichert Regisseur Lorenzo Vigas. Vielmehr geht es um einen Mann, der die Distanz zu seinem obersten Prinzip erklärt hat und Emotionen nicht an sich heranlassen will. Zwischenmenschliche Beziehungen sind ihm ein Graus, und das, obwohl er in einer Gesellschaft lebt, die für ihre Offenheit und Freizügigkeit in Sachen Körperkontakt berühmt ist.
Dieser Kontrast ist es, den Vigas in seiner ersten Langfilm-Regie auszuloten versucht. Zugleich ist „Caracas, eine Liebe“ aber auch ein Blick hinter die Kulissen eines südamerikanischen Staates in Aufruhr und Chaos; seit Hugo Chavez’ Tod trauern die Menschen um ihren geliebten, aber international geächteten Anführer, zugleich verliert das Land den Boden unter den Füßen und stöhnt unter Arbeitslosigkeit und der höchsten Inflationsrate der Welt.
Diese Stimmung verwebt Vigas gekonnt in den lakonisch erzählten Film und gewährt so einen Blick in die Seele eines Daseins voller Entbehrungen. Nicht immer gelingt das ohne Längen und Durchhänger.
IDEAL FÜR: alle, die eine Blick über den großen Teich interessiert - und zwar nicht auf die pulsierenden Metropolen, sondern auch an ihre Ränder.