GESAMTEINDRUCK: Die schwedische Kultschauspielerin Pernilla August räumt in der Komödie „Britt-Marie war hier“ mit Klischees rund um die Generation 60+ auf – und zeigt, dass im Leben immer alles anders kommt, als man denkt.
DIE STORY: Hausfrau Britt-Marie (Pernilla August) fällt aus allen Wolken, als am Krankenhausbett ihres Ehemanns seine heimliche Affäre sitzt. Noch während er sich von seinem Herzinfarkt erholt, packt sie die Koffer. Doch wie künftig den Lebensunterhalt verdienen? Das Arbeitsamt macht der 63-Jährigen wenig Hoffnung. Einzig im Provinzdorf Borg sei eine Stelle als Jugendbetreuerin und Fußballtrainerin frei. Obwohl sie Kinder nicht leiden kann und mit Sport nichts am Hut hat, stürzt sich Britt-Marie ins Abenteuer.
DIE STARS: Hauptdarstellerin Pernilla August, die Britt-Maries Wandlung vom biederen Hausmütterchen zum coolen Fußballcoach erfrischend ehrlich darstellt, feierte in den 1980ern mit dem Ingmar-Bergman-Film „Fanny und Alexander“ einen Welterfolg. Zuletzt drehte sie mit Thomas Vinterberg das U-Boot-Drama „Kursk“.
Auch die Frau am Regiesessel, Tuva Novotny, ist im Hauptberuf eigentlich Schauspielerin („Borg/McEnroe“, „A War“, „Auslöschung“). Ihr Regiedebüt gab die Schwedin im Vorjahr mit „Blind Spot“. Künftig will Novotny noch mehr hinter der Kamera arbeiten.
Die Vorlage zum Film lieferte der schwedische Bestseller-Autor Frederick Backman, der damit in seiner Heimat nach „Ein Mann namens Ove“ bereits den zweiten Kinohit landete.
DIE KRITIK: Große Träume, Veränderungen, Überraschungen – all das kennt Britt-Marie (Pernilla August) nur vom Hörensagen. Seit 40 Jahren geht ihr Leben tagaus, tagein denselben Gang: Um sechs Uhr aufstehen, putzen, waschen, den Mann bekochen, Geschirr und Besteck schlichten. Was für andere nach großer Langeweile klingen mag, ist für Britt-Marie liebgewonnener Alltag.
Bis zu jenem Moment, als ihr Leben zusammenfällt wie ein Kartenhaus. Auf die Sorge um den kranken Ehemann (Peter Haber) folgt die bittere Erkenntnis, dass der sie nach Strich und Faden betrogen hat. Wer jetzt ein Drama um ein verzweifeltes Hausmütterchen erwartet, hat die Rechnung ohne Britt-Marie gemacht. Die Schwedin – und ihre Darstellerin Pernilla August – läuft ob des Schrecks zur Höchstform auf.
Britt-Marie weint ihrem untreuen Ehemann keine Träne nach, sondern nimmt ihr Leben zum ersten Mal selbst in die Hand. Dass sie mit Anfang Sechzig ausgerechnet Fußballtrainerin werden soll, mutet nicht nur für die Teenager, die sie für ihr Turnier trainieren soll, erstmal reichlich skurril an.
Doch Britt-Marie weiß, sich Respekt zu schaffen. Sie räumt im Jugendzentrum auf, verteilt Ratschläge („Backpulver hilft immer“) und Umarmungen und spricht sich zwischendurch immer wieder selbst Mut zu („Britt-Marie, eines nach dem anderen“). Dass trotz ihrer Entschlossenheit so einiges schief geht – das Repertoire reicht von der Maus unter der Schlafcouch bis hin zum Torhüter, dem jeder einzelne Ball durch die Lappen geht – und Britt-Marie immer wieder von Selbstzweifeln und Ängsten geplagt wird, macht die Hauptfigur nur noch liebenswerter und ehrlicher.
Als ihr schließlich ein einsamer Dorfbewohner schöne Augen macht, überträgt sich Britt-Maries Aufregung direkt in den Kinosessel. All das liegt nicht zuletzt an der grandiosen Darstellerin Pernilla August, die die Figur so liebevoll spielt, dass man sie einfach ins Herz schließen muss. Und sich, obwohl über weite Teile des Films ziemlich wenig passiert, dann doch nie langweilt.
Ganz nebenher räumt die Komödie nicht nur mit den Vorurteilen von Britt-Maries direkter Umgebung auf, sondern auch mit so manchen der Gesellschaft im Allgemeinen und der Filmwelt im Besonderen. Britt-Marie ist Beweis dafür, dass auch ältere Frauen Kino können – und eine Erinnerung daran, dass es nie zu spät ist, nochmal ganz von vorne anzufangen. Selbst wenn das, wie in Britt-Maries Fall, nicht immer ganz freiwillig passiert.
IDEAL FÜR: Fans von Pernilla August und für alle, die einen klugen, unaufgeregten Film sehen wollen.