GESAMTEINDRUCK: Das Sozialdrama „Ayka“ wirft einen ungeschönten und brutalen Blick auf die russische Gesellschaft der Gegenwart.
DIE STORY: Eine junge Frau namens Ayka übersiedelt aus Kirgisistan nach Moskau. Sie möchte Arbeit finden, Geld verdienen, ihr eigenes Geschäft aufbauen. Allerdings ist sie schwanger. Gleich nach der Geburt lässt sie ihr Kind im Krankenhaus und stürzt sich in das neue Leben. Sie hat sich bei der Mafia Geld geborgt und kann es nicht zurückzahlen. Je verzweifelter Ayka versucht, das Geld aufzutreiben, umso mehr muss sie einsehen, dass sie dem Leben in Moskau nicht gewachsen ist. Der einzige Ausweg: Sie könnte ihr Kind verkaufen.
DIE STARS: Die Titelrolle in „Ayka“ brachte der Kasachin Samal Yeslyamova beim Filmfest Cannes 2018 den Preis für die beste Schauspielerin ein. Yeslyamova ist in jeder Szene in diesem beinharten Drama von Regisseur Sergej Dvortsevoy zu sehen. Die Verzweiflung, sich nicht um ihr Kind kümmern zu können, bringt die 33-jährige Schauspielerin meisterhaft auf den Punkt.
DIE KRITIK: „Ayka“ ist ein Wagnis. Ein Film, den man sich erst einmal trauen muss, zu drehen. Allein dafür gehört Regisseur Sergey Dvortsevoy jeder Respekt. „Ayka“ erzählt davon, was letztendlich passiert auf dieser Welt, wenn in Sachen Marktwirtschaft das Wort sozial durch gewinnorientiert ersetzt wird. Dieser Film ist wie ein Blick in die Kapitalismus-Hölle.
Schon der Anfang ist widerlich. Minutenlang sieht man Frauen in einem ekelhaft dreckigen Keller zu, wie sie Hähnchen - die wir so gern preiswert aus dem Supermarkt holen - von Federn befreien und zum Abtransport bereit machen. Die Chefs wollen die Ware schnell wegbringen und dann mit dem versprochenen Lohn wiederkommen. Doch sie machen sich aus dem Staub und die Frauen haben wochenlang für nichts gearbeitet.
In diesem Tonfall geht es weiter. Die Titelheldin Ayka hatte wohl mal die Hoffnung, in Moskau ein kleines Nähstudio aufmachen zu können. Das dafür von der Mafia geborgte Geld aber kann sie nicht rückzahlen. Sie klopft an etliche Türen. Sie appelliert an die Mitmenschlichkeit. Aber die hat sich in Dvortsevoys Film verabschiedet.
Irgendwann, wenn Ayka ihr Kind längst im Krankenhaus zurückgelassen hat, wenn sie mal wieder ohne Hoffnung im bitterkalten Moskau sitzt, da möchte man sie als Zuschauer am liebsten schütteln und auf den rechten Weg bringen. Aber den in dieser Wolfs-Gesellschaft zu finden, das scheint selbst unter großen Anstrengungen nicht mehr möglich zu sein.
IDEAL FÜR: Hardcore-Arthaus-Fans, die lieber dem Leben statt Fantasien zuschauen. Egal, wie grausam das Leben gezeichnet wird.