GESAMTEINDRUCK: „Am Strand“ ist ein atmosphärisches, kammerspielartiges Beziehungs-Melodram der 1960er-Jahre, in dem großartige Hauptdarsteller (Saoirse Ronan und Billy Howle) ihre Hochzeitsnacht leider zur Geduldsprobe für alle werden lassen.
DIE STORY: England, 1962: Das frisch gebackene Ehepaar Florence Ponting (Saoirse Ronan) und Edward Mayhew (Billy Howle) flittert in „Am Strand“, der Verfilmung des gleichnamigen Bestsellers von Ian McEwan, in einem romantischen Hotel am Chesil Beach im Süden Englands. Doch die Freude ist schon wenig wenige Stunden nach der Hochzeit getrübt. Denn das Tabuthema Sex schwebt wie ein Damoklesschwert über dem Paar. Und droht nicht nur die Hochzeitsnacht, sondern gleich die ganze Beziehung zu sprengen.
DIE STARS: Hauptdarstellerin Saoirse Ronan, die die schüchterne Florence spielt, zählt derzeit zu den gefragtesten Frauen Hollywoods. Mit „Lady Bird“ holte sich die irisch-amerikanische Schauspielerin heuer ihren ersten Golden Globe und sicherte sich ihre bereits dritte Oscar-Nominierung (nach „Abbitte“ und „Brooklyn“).
Ihr Film-Ehemann Billy Howle ist hingegen noch neu auf der Leinwand. Von einem kurzen Ausflug ins TV abgesehen („Glue“), spielte der Brite bis 2017 ausschließlich im Theater.
DIE KRITK: Wieviel körperliche Nähe braucht die Liebe? Dieser Frage gehen Saoirse Ronan und Billy Howle in „Am Strand“ nach. Frisch verheiratet, schlittert das Paar nur Stunden nach dem Ja-Wort in die Ehekrise. Weil Braut und Bräutigam völlig unterschiedliche Vorstellungen in Sachen Zärtlichkeiten haben.
Kaum den Koffer im Hotelzimmer abgestellt, schweifen die Blicke der beiden immer wieder verstohlen zum ehelichen Doppelbett. Doch während Edward die erste gemeinsame Nacht sichtlich kaum erwarten kann, macht sich bei Florence Panik breit. Aufgewachsenen in der Zeit vor der sexuellen Revolution, in der man Schlafzimmeraktivitäten noch totschwieg, erinnert sie sich mit Schaudern an die Bilder in ihrer Aufklärungsfibel. Und sucht jedes Mal das Weite, wenn Edward ihr auch nur ein Stückchen näher rückt.
Filmregie-Debütant Dominic Cooke inszeniert das Dilemma der beiden als atmosphärisches, leider bisweilen aber auch ziemlich langweiliges, Melodram. Während Edward ungeschickt versucht, seiner frisch gebackenen Ehefrau doch noch näher zu kommen, rollt Regisseur Cooke in Flashbacks die Liebesgeschichte der beiden auf.
Florence, angehende Violinistin aus gutem Haus, und Edward, im Vergleich zu ihr ein armer Schlucker, passen auf den ersten Blick so gar nicht zusammen. Verliebt haben sie sich trotzdem, ganz klassisch auf der Uni. Und weder Florences skeptische Familie noch Edwards psychisch kranke Mutter konnten das Glück trüben.
Alles ist perfekt, bis zu besagtem Tag im Hotel, der als Klammer der ganzen Geschichte fungiert. Was in diesen Stunden in den Köpfen der beiden vorgeht – und das ist die große Schwäche des Films – lässt sich leider nur erahnen. Denn im Gegensatz zum Buch von Ian McEwan wird man aus den Hauptdarstellern im Film oft nicht wirklich schlau. Es mutet fast skurril an, wenn Florence ihrem Ehemann vorschlägt, fremdzugehen, um seine Bedürfnisse zu stillen.
Andere Szenen sind zwar rührend (etwa als Florence sich liebevoll um Edwards Mutter kümmert), verlieren sich aber in den vielen Längen des Films. Auch wenn Ronan und Howle als Paar überzeugen, wünscht man sich manchmal, Cooke hätte den Film nicht auf fast zwei Stunden ausgedehnt. Die stärkste Szene ist dann auch ausgerechnet die zum Schluss. Der Weg dorthin erfordert bisweilen etwas Geduld.
IDEAL FÜR: Fans von Saoirse Ronan und von Liebesgeschichten ohne Happy End. Und für die Leser der Bestseller von Ian McEwan.