DIE STORY: Klimawandel, Flüchtlingsleid, Finanzkrise, Überbevölkerung: Wie geht es weiter mit dem Planeten Erde? Die Doku „Tomorrow – Die Welt ist voller Lösungen“ mag sich nicht einfügen in die vielen düsteren Prognosen. Die Regisseure Cyril Dion und Mélanie Laurent reisten monatelang durch die Kontinente, um positive Ansätze zu finden, wie sich der Lauf der Welt in eine bessere Richtung drehen lässt.
Da geht’s, im Kapitel Landwirtschaft, zum Beispiel um die „Urban Agriculture“ oder ums „Urban Gardening“: Bürger in den USA und in England nutzen freie Flächen als Gemüse- oder Obstgärten. Im Kapitel Energie beleuchtet der Film Initiativen zur Einsparung ohne Komfortverlust („60 bis 65 Prozent des Energieverbrachs von heute könnte man vermeiden“) und er widmet sich dem Thema Recycling: „Vieles, was weggeworfen wird, ist kein Abfall – das sind Rohstoffe!“
Und in Sachen Ökonomie treten Ökonomen mit der Empfehlung auf, die großen Währungen wie den Euro durch lokale Währungen zu ergänzen, die nur am Ort ihrer Ausgabe gültig sind: „Ein nützliches Mittel für mehr Nachhaltigkeit.“
So folgt, quasi unter dem Motto „small is beautiful“, eine Initiative auf die andere. Denn von einer These sind die Filmemacher überzeugt: „Kleinbauern ernähren die Welt. Die industrialisierte Landwirtschaft ist ineffizient und nur dazu gut, Geld zu machen.“
DIE STARS: Der französische Regisseur Cyril Dion ist ein Umwelt-Aktivist, Produzent und Publizist, der mit „Tomorrow“ sein Filmdebüt feiert. Als nächstes Projekt bereitet er einen Spielfilm vor. Seine Regie-Partnerin Mélanie Laurent ist im Hauptberuf eine der bekanntesten Schauspielerinnen Frankreichs. Der internationale Durchbruch gelang ihr in der Rolle der Shoshanna, der Gegenspielerin von Christoph Waltz, in Quentin Tarantinos „Inglourious Basterds“.
DIE KRITIK: „Tomorrow – Die Welt ist voller Lösungen“ gewann den César, den französischen Filmpreis, als beste Dokumentation des Jahres. In Frankreich, Belgien und der französischen Schweiz lockte der Film schon mehr als 1,3 Millionen Besucher ins Kino: Die Regisseure Cyril Dion und Mélanie Laurent haben offenkundig ein Thema gefunden, das bei den Menschen viele Saiten zum Klingen bringt.
Zu Beginn werden aus dem Off einige apokalyptische Thesen über den Zustand der Welt zitiert; verbunden mit dem Appell: „Wir haben vielleicht 20 Jahre Zeit, um die Dinge in die richtige Richtung zu bewegen.“ Und dann geht der Film in eine David-gegen-Goliath-Position, die er fortan nicht mehr verlässt.
„Tomorrow“ setzt den Entwicklungen, die durch globale Konzerne und Finanz-Interessen bestimmt werden, alternative Modelle entgegen. „Unbegrenztes Wachstum ist eine Absurdität, die die Menschen unersättlich macht“, heißt es einmal. Der Film schildert Projekte, die auf nachhaltige Wirkung setzen statt auf Maximierung von was auch immer. Und er hält fest: „Mit Kleinfarmen könnte man zwölf Milliarden Menschen ernähren.“ Derzeit hält die Weltbevölkerung bei rund 7,4 Milliarden Menschen.
Natürlich kann „Tomorrow“ keinen Beweis dafür antreten, dass seine Thesen stimmen. Und es ist ein verdammt weiter Weg, bis lokale Initiativen zu großen Massenbewegungen anwachsen. Aber die Beispiele aus Europa, Asien und Amerika, die im Film geschildert werden, sind optimistisch und handfest und sie laden dazu ein, mit kleinen Schritten selbst aktiv zu werden.
Man begegnet glücklichen Engländern, die die kleine Grünfläche vor dem örtlichen Polizeirevier zum Gemüsegarten umfunktioniert haben. Man besucht die Entsorgungs-Spezialisten von San Francisco, die ihre schöne Stadt vollkommen abfallfrei machen wollen: „Heute halten wir im Recycling bei einem Stand von 80 Prozent.“
Man lässt sich erklären, wie durch die gemeinsame Aussaat verschiedenster Pflanzen der Ertrag im Gemüseanbau mächtig gesteigert werden kann: „Die Natur kennt keine Monokultur.“
Und man hört sich, in Sachen Politik, auch Konzepte an, die auf den ersten Blick eher wunderlich als schlau klingen. Etwa dann, wenn ein Aktivist vorschlägt, die Parlamente nicht nur mit gewählten Volksvertretern zu beschicken, sondern auch mit Mandataren, die ausgelost wurden – „wie bei der Jury in einem Geschworenen-Prozess“.
In Summe hält „Tomorrow – Die Welt ist voller Lösungen“ exakt das, was der Filmtitel verspricht: Man bekommt eine Vielzahl von Modellen präsentiert, die dazu anregen, eingefahrene Wege zu verlassen. Manches klingt naiv, manches unrealistisch. Aber jedes der vorgestellten Beispiele ist es wert, sich darüber Gedanken zu machen.
Diese Lebensnähe ist vermutlich ein Hauptgrund für den großen Publikumserfolg des Films. Obendrein legten Cyril Dion und Mélanie Laurent „Tomorrow“ nicht belehrend an, sondern ausgesprochen unterhaltsam. Man fühlt sich in den 118 Filmminuten trotz des ernsten Themas einfach wohl – ein Effekt, der durch die feinen, fröhlichen Songs der schwedischen Künstlerin Fredrika Stahl noch weiter unterstützt wird.
IDEAL FÜR: Alle, die sich Gedanken über den Zustand und die Zukunft der Welt machen.