DIE STORY: „Thank You For Bombing“ ist ein spannendes Episoden-Drama über Kriegsreporter und den Afghanistan-Konflikt.
In der ersten Story dieses herausragenden österreichischen Films versucht Erwin Steinhauer als ORF-Reporter, von Wien nach Kabul zu reisen. Es bleibt vorerst beim Versuch: Der seit einem Jugoslawien-Einsatz schwer traumatisierte ORF-Mann glaubt, am Flughafen einen Kriegsverbrecher aus dem Balkan-Konflikt zu erkennen. Er informiert die Polizei – und weckt aufgrund seines irrlichternden Verhaltens bald selbst das Misstrauen der Behörden.
Episode zwei spielt in Afghanistan. Lana (Manon Kahle), eine amerikanische Kriegsreporterin, macht sich auf die Spur von zwei US-Soldaten, die beschuldigt werden, öffentlich den Koran verbrannt zu haben. Als sie die GIs interviewt, gerät sie in eine extreme Situation, in der sie sich fragen muss: Ist ihr die Selbstachtung wichtiger – oder der Erfolg im Beruf?
Die dritte Story dreht sich um den Korrespondenten Cal (Raphael van Bargen), der sich in Kabul langweilt und seine Quoten schwinden sieht, weil in Afghanistan gerade zu wenig passiert. Er wünscht sich dringend echte Kriegsszenen herbei – und behilft sich bis dahin mit journalistischen Schwindeleien. Etwa, wenn er einen kleinen Buben dazu verleitet, mit Steinen zu schmeißen und dabei „Tod den Amerikanern“ zu brüllen.
DIE STARS: Erwin Steinhauer gelingt in „Thank You For Bombing“ mit dem Porträt des schwer verstörten ORF-Reporters Ewald eine Glanzleistung. Er wurde dafür bei der Diagonale 2016 verdientermaßen mit dem Schauspieler-Preis ausgezeichnet.
Manon Kahle (Lana), eine Amerikanerin aus Berlin, ist nicht nur Schauspielerin, sondern auch Country-Sängerin und Illustratorin. Mit „Fluch der Karibik“-Regisseur Gore Verbinski drehte sie zuletzt den Horrorfilm „A Cure For Wellness“.
Der Hamburger Raphael von Bargen (Cal) studierte am Wiener Reinhardt-Seminar und spielte neben seiner Filmarbeit viel am Burgtheater und am Volkstheater in Wien.
Barbara Eder ist eine der aktuell spannendsten Regisseurinnen Österreichs. Sie machte 2010 mit dem Dokudrama „Inside America“ und 2015 mit dem ORF-Landkrimi „Kreuz des Südens“ auf sich aufmerksam.
DIE KRITIK: Was verleitet manche Journalisten dazu, freiwillig dorthin zu reisen, wo sich selbst Soldaten höchst ungern aufhalten – nämlich mitten in einem Krieg? Ist es der humanistische Drang, die Welt aufzuklären über den Wahnsinn aus Gewalt und Tod, der im Zentrum der Kämpfe tobt?
„Thank You For Bombing“ erzählt: Möglicherweise geht es um etwas anderes. Um beruflichen Ehrgeiz und das grenzgängerische Ego der Kriegsreporter, die darauf setzen, dass ihnen schon nichts passieren wird. Die den Nervenkitzel lieben und/oder brauchen. Die die Aufmerksamkeit genießen, wenn sie vor der Kamera stehen, während rund um sie Bomben-Stimmung herrscht.
Die amerikanische Reporterin Lana hat im Film ihre besten Momente, wenn sie ihre männlichen Kollegen übertrumpfen kann. Dann steht sie triumphierend im Badezimmer, spannt die Muskeln und ruft sich selbst im Spiegel zu: „You are a fucking bomb!“
Der schon längst zum Zyniker mutierte Reporter Cal hat seine besten Momente, wenn er aus dem Hotelfenster sieht, dass draußen scharf geschossen wird. Dann weiß er, es wird wieder atemlose Live-Berichte im Fernsehen für ihn geben,. Natürlich zur allerbesten Sendezeit.
Nur Ewald, der Berichterstatter aus Wien, hat keine guten Momente mehr. Vor 20 Jahren musste er bei einem Einsatz im Balkankrieg miterleben, wie neben ihm sein Kameramann erschossen wurde. Seitdem ist er vom Gedanken besessen, den Todesschützen zu finden. Und als er am Wiener Flughafen glaubt, den Mann an der Stimme wiedererkannt zu haben, dreht er auf eine neurotische Weise durch, die nur noch Mitleid weckt. Kriegsreporter als Glamour-Job mit erhöhtem Risiko? Von wegen. Dieser Mann ist ein Wrack.
Die Wien-Sequenz ist der Höhepunkt von „Thank You For Bombing“. Erwin Steinhauer setzt seine komplette darstellerische Virtuosität ein, um diesen vom Leben gezeichneten Loser zum Sympathieträger zu machen. Grandios.
Die Story mit Lana in der afghanischen Macho-Welt hat ebenfalls volle dramatische Power, leidet aber für meinen Geschmack darunter, dass die Schlüsselszene zu breit ausgewalzt wird. Der dritte Teil mit dem kriegsgeilen Cal hat die geringste Substanz. Doch egal: „Thank You For Bombing“ ist in Summe eine faszinierende und spannungsgeladene Collage über das Leben der wilden Reporter im Krieg.
Der Film zeigt einmal mehr, welch außergewöhnliches Talent die Autorin/Regisseurin Barbara Eder besitzt. Die Burgenländerin hat ein traumwandlerisches Gefühl für Tempo und Rhythmus. Sie kann perfekt Spannung aufbauen und sorgt an den richtigen Stellen für kurze emotionale Entladungen. Meisterlich ist das Finale, in dem mit winzigen Mitteln alle drei Storys des Films zusammengeführt werden.
Auch die Arbeit mit den Darstellern ist bei Barbara Eder von erster Qualität: Außer Erwin Steinhauer liefern auch Manon Kahle, Raphael von Bargen und alle anderen Darsteller ein Power-Spiel ab, das in Erinnerung bleibt.
Fazit: Trotz kleiner Schwächen im Buch ist „Thank You For Bombing“ ein großes Kino-Abenteuer mit tieferer Bedeutung, wie es im Filmland Österreich höchst selten entsteht.
IDEAL FÜR: alle, die einen Blick in die Welt der Kriegsreporter werfen - und einen tollen österreichischen Film sehen wollen.